Online-Diskussionsveranstaltung der SPD am 28. April 2021: Ist unsere Demokratie in Gefahr?

Sprechen wir noch dieselbe Sprache? Verlieren wir uns in digitalen Echo- und Filterkammern?

Veranstalter:

SPD Petershausen und SPD Haimhausen

Referenten:

Karl Kühbandner (Petershausen) und Dr. Michael Kausch (Haimhausen)

Gast:

MdB Michael Schrodi

Bericht in der SZ

Ende April veranstalteten die SPD-Ortsvereine Petershausen und Haimhausen eine Online-Diskussion über Verschwörungstheoretiker und die Gefahren für unsere Demokratie. Das Thema animierte mehr als 40 interessierte Bürgerinnen und Bürger zu einer lebhaften Debatte um die Themen „Sprechen wir noch dieselbe Sprache? Rechtsextreme und Verschwörungstheoretiker in digitalen Echokammern“.
Ins Thema führten ein Michael Kausch aus Haimhausen, der sich beruflich mit dem Internet und digitaler Kultur beschäftigt, und Karl Kühbandner aus Petershausen, ehemaliger Gymnasiallehrer unter anderem für Geschichte und Sozialkunde. Ebenfalls mit dabei war der SPD-Bundestagsabgeordnete Michael Schrodi, der sich seit vielen Jahren aktiv gegen neonazistische Aktivitäten einsetzt.

In seiner Begrüßung erzählte Michael Schrodi von zahlreichen Angriffen durch Verschwörer und Querdenker auf Politiker und ihre Familien und machte so deutlich, wie hautnah die Gefährdung ihn und andere demokratische Politiker heute betrifft.

Michael Kausch wies auf die starken rechtsradikalen Tendenzen unter den sogenannten Querdenkern hin: „Neonazis, Blut- und-Boden-Ökos, Abtreibungsgegner, Parawissenschaftler, Kreationisten, Klimawandelleugner, Antisemiten, Esoteriker und Impfgegner treffen sich nicht zufällig unter Regenbogenfahne und Reichskriegsflagge. Sie eint, dass sie sich von dunklen Mächten verfolgt fühlen, von DEM Staat, DER Wissenschaft, DEN Medien. Sie kämpfen gegen ein homogenes geschlossenes Weltbild, dem sie sich ausgeliefert fühlen. Dinge, die sie ablehnen, lehnen sie nicht ab, weil eine Mehrheit anders entschieden hat oder weil Prozesse nicht gut funktionieren, sondern weil eine dunkle Macht die Ursache ist. Deshalb lassen sie sich auch nicht mit Argumenten überzeugen.“

Karl Kühbandner ging aus von einer Kritik der gegenwärtigen politischen Kommunikation, die teilweise geprägt ist von Hass, Wut auf „die Politik“ und einem falschen Verständnis von Demokratie. Er wies darauf hin, dass Teilhabe an politischen Entscheidungen mehr bedeutet als Teilnahme an Demonstrationen. Gefragt sei der informierte, politisch denkende Bürger und daher müssten in Schulen und Erwachsenenbildungs-Einrichtungen das Verständnis demokratischer Prozesse vermittelt werden. „Nur durch politische Bildung werden Populisten, Verschwörer und Vereinfacher an Einfluss verlieren.“ Er verwies auch nachdrücklich auf die wachsende soziale Ungleichheit, die ebenfalls eine der Ursachen der Demokratieverdrossenheit sei.

In der Diskussion berichteten viele Bürgerinnen und Bürger von ihren eigenen Erfahrungen mit Freunden, die sie an Verschwörungsanhänger verloren haben. So stellte Edi Meßthaler, „Urgestein“ der Petershausener SPD, fest, seit 2015 würden viele es wieder wagen, sich rechtsradikal und fremdenfeindlich zu äußern. Und er fragte sich: „Wie kommen wir wieder dahin, dass in den Köpfen der Leute Humanität einkehrt?“ Robert Kühbandner meinte dazu, man müsse die schweigende Mehrheit der Gutgesinnten zum Sprechen bringen. Brigitte Burger, 2. Vorsitzende der SPD Petershausen und Mitorganisatorin der Veranstaltung, zeigte sich besonders enttäuscht von den Videos, die einige Künstler unter dem Motto „Alles dicht machen“ ins Netz gestellt hatten. Hier würde satirisch verbrämt und vermutlich von einigen Beteiligten ungewollt „Verschwörungsgeraune“ unterstützt und damit in die Mitte der Gesellschaft gerückt. Elisabeth Mecking sah in den einseitigen, an ausgewählten Meinungsführern orientierten Äußerungen der so genannten „Querdenker“ eine besondere Gefahr für die Demokratie. Wolfgang Stadler, 2. Bürgermeister der Gemeinde Petershausen, zweifelte daran, dass man Verschwörungstheorien auf mangelnde Bildung ihrer Vertreter zurückführen könne. Er wies darauf hin, dass sich in der Querdenkerszene wie auch an der Spitze der AfD eine Reihe von Intellektuellen tummeln. Besonders eindrücklich berichtete Anderl Laubert aus der rechten Querdenker-Szene. Er hat mit Freunden in Dachau die Facebook-Gruppe „Aufklärung Dachau“ gegründet, die sich seit mehreren Monaten intensiv der Beobachtung dieser rechten Szene widmet.

Die Referenten

Michael Kausch

Michael Kausch ist in der näheren Umgebung des Frankenstadions mit der Rockmusik der 70er Jahre aufgewachsen. Er studierte in München Kommunikationswissenschaften, Soziologie, Volkswirtschaft und Psychologie.

Er schrieb sich fit bei Tageszeitung und ZDF und arbeitete in der Industrie- und Arbeitssoziologie ehe er 1987 als erster Pressesprecher außerhalb der USA bei einer damals kleinen Software-Firma namens Microsoft anfing. Bis Ende 1992 durfte er dort als Tennispartner gegen Bill Gates verlieren und als Pressesprecher und MarCom-Manager für Deutschland, Österreich, die Schweiz und Osteuropa die Bereiche PR, Werbung, Direktmarketing, Events und Kundendienst auf- und ausbauen.

Nach Microsoft machte er sich mit seiner Agentur vibrio selbstständig. Anfangs auf klassische Öffentlichkeitsarbeit in der IT-Branche konzentriert, berät er heute als mittelständische PR- und Social-Media-Agentur mit Sitz in München und Büros in Zürich und Wien Unternehmen in unterschiedlichen Branchen.

Michael Kausch ist seit mehr als 40 Jahren aktives Mitglied der SPD, bei ver.di, Mitglied im Münchner Presseclub und im IT-Branchenverband Bitkom, außerdem aktiver Blogger und hat mehrere Zeitschriftenbeiträge und Bücher verfasst.

Karl Kühbandner

Karl Kühbandner studierte Germanistik und Geschichte, ehe er 40 Jahre lang gerne und mit Überzeugung als Lehrer für Deutsch, Geschichte, Sozialkunde und Ethik an einem Dachauer Gymnasium tätig war.

Lange Zeit war er im Landesvorstand der Gewerkschaft, Erziehung und Wissenschaft aktiv.

Seine politische Heimat war und ist die SPD, der er unter anderem 24 Jahre als Gemeinderat diente.

Nach seiner Pensionierung sieht er seine politische Rolle vor allem in der Diskussion mit allen Generationen und als Referent der Volkshochschule im Dachauer Land, der den Kursteilnehmern literarische, historische und politische Themen nahezubringen sucht.

Nebenbei gehört seine Liebe der Musik und hier vor allem dem Chorgesang. Nach einer Ausbildung zum Chorleiter für Laienchöre leitete er mehrere Chöre, gründete den Gemischten Chor Petershausen und freut sich auch heute noch, Teil einer musikalischen Gemeinschaft zu sein.

Sonst ist er ein Freund der italienischen Menschen, ihrer Kochkünste und Weine, mit einer großen Liebe zur italienischen Sprache, derer er sich mit begrenztem Erfolg zu bemächtigen sucht.

Lesetipps

Manuskripte der Referenten.

Buch-Tipps:

  • Michael Butter: Nichts ist, wie es scheint. Über Verschwörungstheorien. Edition Suhrkamp 2018
  • Katharina Nocun / Pia Lamberty: Fake Facts. Wie Verschwörungstheorien unser Denken bestimmen. Quadriga 2020
  • WISSEN SCHAFF DEMOKRATIE: Schriftenreihe des Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft 03/2018 (Schwerpunkt: Gesellschaftlicher Zusammenhalt)
  • Heike Kleffner / Matthias Meisner (Hg.): Fehlender Mindestabstand. Die Coronakrise und die Netzwerke der Demokratiefeinde. Herder 2021
  • Wolfgang Storz: „Querfront“. Karriere eines politisch-publizistischen Netzwerks. Publikation der Otto Brenner Stiftung 2015. Kostenloser Download.

Und hier noch ein Kauftipp: Der Mundschutz „Corona leugnen sichert Arbeitsplätze“:

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Weitere Lesehinweise.

  • Faktencheck. Hier recherchieren und korrigieren investigative Journalist*innen Falschmeldungen rund um Corona in traditionellen und sozialen Medien.
  • Faktenfinder. Der Faktencheck der Tagesschau.
  • Der Goldene Aluthut. Journalist*innen gegen und über Verschwörungstheorien und Sekten.
  • CeMAS. Das gemeinnützige Center für Monitoring, Analyse und Strategie (CeMAS) will die Gesellschaft befähigen, Verschwörungsideologien, Desinformation, Antisemitismus und Rechtsextremismus im Rahmen aktueller Problemlagen und zukünftiger Krisen aktiv entgegentreten zu können.
  • Das muss man auch mal ganz klar benennen dürfen„. Verschwörungsdenken und Antisemitismus im Kontext von Corona. Hrsg. von der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Bayern (RIAS)
  • Verschwörungsideolog*innen erhöhen Druck auf Bildung. Ein Artikel in DDS. Mitgliedszeitschrift der GEW Bayern. Ausgabe April 2021. Seite 5-6.
  • Taxonomie der Merkmale der Wissenschaftsleugnung. Eine alphabetisch sortierte Liste von Merkmalen der Wissenschaftsleugnung.
  • SPD-Debattencamp 12.12.2020: Talk von Lars Klingbeil mit Pia Lamberty und Karolin Schwarz:
    Talk: Von Aluhut bis Reichskriegsflagge – Wie Corona-Leugner*innen unsere Demokratie angreifen (Start um 3:17:15)

  • Wie verändert die Pandemie das Agieren von Rechtsextremen? Sebastian Striegel (DIE GRÜNEN) im Gespräch mit Dr. Matthias Quent, Rechtsextremismusforscher vom Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft in Jena (Die große Anfrage #12 vom1.3.2021)
  • Markus Rinderspacher (SPD) im Gespräch bei Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) im LandTalk live über „Verschwörungstheorien“
  • Bayerischer Landtag. Forum Antworten „Verschwörungstheorien“. Eine Publikation zur Aufklärung und Aufarbeitung. München 2021. Download.
  • Pia Lamberty: Verschwörungserzählungen (Infoaktuell 35/2020 der Bundeszentrale für politische Bildung)
    Verschwörungserzählungen
  • Proteste in der Corona-Pandemie: Gefahr für unsere Demokratie? Hrsg: Forschungsinstitut Gesellschaftlicher Zusammenhalt Jena.
  • Aufklärung Dachau. Eine wichtige Facebook-Gruppe unabhängiger Dachauer Bürgerinnen und Bürger gegen die AfD, DIE BASIS und Querdenker Propaganda.
  • Das Netzwerk hinter #allesdichtmachen. in: DER TAGESSPIEGEL vom 07.05.2021
  • Anne Fritsch: Noch ganz dicht? Zynische Leere in 52 Akten.


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