Ein Politischer Sommer-Spaziergang mit dem SPD-MdB Michael Schrodi durch Haimhausen

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Am Samstag, den 10. Juli, besuchte Michael Schrodi Haimhausen. Seit 2017 sitzt der gebürtige Münchner und heutige Olchinger für den Wahlkreis Dachau-Fürstenfeldbruck für die SPD im Bundestag. Haimhausen kennt er gut. Mit dem hiesigen SPD-Vorstandsmitglied Michael Kausch verbindet ihn eine langjährige Freundschaft. Und Luisa Deffner, Juso-Vertreterin aus Haimhausen und angehende Politik-Studentin, ist Teil seines Wahlkampfteams. Es war also ein Besuch bei Freunden, als er am Ortsschild von den Genoss*innen des Ortsvereins zum „Politischen Sommerspaziergang“ abgeholt wurde.

Mitglieder der SPD Haimhausen empfingen MdB Michael Schrodi zum „Politischen Sommer-Spaziergang“

Der Rundgang führte als Erstes zum Nahkauf, dessen Ende schon beschlossene Sache ist. Er wird eines nicht zu fernen Tages ersetzt werden durch einen neuen größeren Lebensmittelmarkt am Ortsrand. Was für Haimhausen ein lokales Problem und „großes Thema“ – die bald fehlende Einkaufsmöglichkeit im Ortszentrum -, ist in der „großen Politik“ natürlich ebenso ein „großes Thema“: die drohende Verödung der Innenstädte durch den wachsenden Online-Handel.

MdB Michael Schrodi mit Haimhausener Sozialdemokratinnen vor dem Nahkauf

Wenn immer mehr Menschen bei den großen Internet-Konzernen kaufen, können viele Einzelhändler mit ihren Geschäften in den Ortszentren nicht mehr überleben. Michael Schrodi verwies in diesem Zusammenhang auf die vom SPD-Kanzlerkandidaten Olaf Scholz international durchgesetzte Mindestbesteuerung für internationale Konzerne wie Amazon: „Konzerne wie Amazon und Facebook machen Milliardengewinne und zahlen im Gegensatz zum Bäcker und Lebensmittelhändler hier am Ort fast keine Steuern. Das ändern wir jetzt.“

Weiter ging es zum Rathaus und gleich dahinter traf die Gruppe auf ein Plakat der Bürgerinitiative „Interessensgemeinschaft gegen die Monsterstromtrasse Nord (IGM)“.

SPD-Gemeinderat Ludwig Meier im Gespräch mit MdB Michael Schrodi: Die Sorgen der Politiker in Haimhausen und Berlin sind oft die Gleichen

Der Haimhausener Genosse Michael Kausch ist zugleich einer der Sprecher der Bürgerinitiative gegen die Nordtrasse. Mit MdB Michael Schrodi hat er einen Verbündeten in Berlin gewonnen

Schon zwei Tage vor dem Sommer-Spaziergang trafen sich der SPD-Bundestagsabgeordnete Michael Schrodi, der SPD-Gemeinderat Ludwig Meier und der SPD-Sprecher Michael Kausch vor dem Haimhausener Rathaus bei der Überreichung von 1.471 Unterschriften gegen die 380 kV-Höchststromtrasse zwischen Haimhausen und Inhausen an Bürgermeister Felbermeier. Michael Schrodi war eigens nach Haimhausen gekommen, um der Bürgerinitiative seine Unterstützung zu signalisieren. Michael Schrodi: „In unserem Wahlprogramm steht ganz vorne der Satz ‚je schneller der Ausbau der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien erfolgt und je schneller die nötigen Stromleitungen und Verteilnetze gebaut werden, desto eher kann auf fossile Energieträger verzichtet werden‘. Wir wehren uns nicht gegen den Ausbau von Stromnetzen. Das habe ich auch schon vor meiner ersten Wahl in den Bundestag gesagt, als ich hier in Haimhausen die E-Werke Haniel besucht habe. Aber der Ausbau muss immer in Abstimmung mit den Bürgerinnen und Bürgern erfolgen. Und wenn es bessere Alternativen zur Nordtrasse gibt, dann sollten diese Alternativen gewählt werden. Im Übrigen betreibt die SPD Umweltpolitik ja nicht erst seit fünf oder zehn Jahren. ‚Der Himmel über dem Ruhrgebiet muss wieder blau werden‘ war eine Forderung von Willy Brandt aus dem Jahr 1961. Da war rot schon grün.“

Luisa Deffner, Juso-Mitglied aus Haimhausen, berichtet MdB Michael Schrodi vom reichen kulturellen Leben in Haimhausen – und vom Mangel an öffentlichen Räumen

Vom Rathaus führte der Spaziergang weiter zur ehemaligen Brauerei. Angesichts der verschlossenen Tore berichtete Michael Schrodi von in der Pandemie pleite gegangenen Betrieben nicht nur in seinem Wahlbezirk, sondern auch in Berlin, aber auch davon, wie viele Mittelständler nur durch die finanzpolitischen Maßnahmen der Bundesregierung diese beispiellose Krise überlebt hätten. Deutschland lebe von seinen mittelständischen Unternehmen und Deutschland sei besser durch diese Krise gekommen als alle anderen europäischen Industrieländer. Dies verdanke sich der massiven Finanzhilfen von Olaf Scholz, die für den Erhalt von über zwei Millionen Arbeitsplätzen gesorgt habe und zugleich eine Politik der gezielten Investitionen sei. Jedes Unternehmen, das wegen Corona schließen müsse, verursache langfristig erheblich mehr Kosten als die Förderpolitik der letzten Monate. Aber nun sei es an der Zeit auf eine intelligente Gegenfinanzierung zu achten. Und da müssten die, die mehr haben, stärker zur Kasse gebeten werden, während kleine und mittlere Einkommen weiter entlastet werden müssten. Die CDU/CSU und die FDP hingegen setzen auf eine weitere Umverteilung von unten nach oben und das ohne jede Gegenfinanzierung. Das sei sozial ungerecht und völlig unseriös, denn dies hinterließe ein riesiges Loch in den öffentlichen Kassen.

Der Spaziergang ging weiter zum Kreisel am Kramer Kreuz. Ein idealer Ort, um über die zunehmende Verkehrsbelastung zu diskutieren. Haimhausen leidet sowohl unter Quellverkehr, weil der Ort selbst zu den am stärksten wachsenden Gemeinden im ohnehin schnell wachsenden Landkreis Dachau gehört. Und Haimhausen leidet massiv unter Durchgangsverkehr. Hinzu kommt, dass in Haimhausen überproportional viele Berufstätige leben und wir relativ schlecht mit ÖPNV versorgt sind: Wir haben keinen S-Bahn-Anschluss.

MdB Michael Schrodi mit Parteifreunden am Kramer Kreuz

Michael Schrodi plädierte während des Politischen Spaziergangs dafür, künftig weniger auf Straßenbau und dafür auf einen generellen Umbau in der Verkehrspolitik zu setzen: „Wir müssen den ÖPNV – gerade auch in ländlichen Regionen – ausbauen und preislich für die Nutzer attraktiver machen. Und den Autoverkehr müssen wir schneller als bisher auf Elektromobilität umstellen. Auch Tempo 130 steht bei uns im Programm. Bislang war dies mit der Union nicht durchsetzbar.“

MdB Michael Schrodi und Gemeinderat Ludwig Meier diskutierten im Neubaugebiet am Schrammerweg die Kernkompetenz der SPD: soziale Gerechtigkeit

Die letzte Station des Politischen Spaziergangs war das Neubaugebiet am Schrammerweg. Gemeinderat Ludwig Meier berichtete vom erfolgreichen „Einheimischenmodell“, mit dem die Gemeinde Baugrundstücke zu subventionierten Preisen an Einheimische abgibt. Ohne solche Modelle sei es einheimischen Normalverdienern kaum mehr möglich im überhitzten Immobilienmarkt an Wohneigentum zu gelangen. Michael Schrodi ergänzte in der Spaziergangsdebatte, dass darüber hinaus ein Hauptaugenmerk der SPD im Wahlprogramm auch die Stärkung des Sozial- und Mietwohnungsbaus sei. Insbesondere junge Familien in den Ballungsräumen seien heute massiv von Wohnungsnot bedroht. Wohnen sei ein Grundrecht. Und im Kern gehe es der SPD um soziale Gerechtigkeit.

Seine roten Laufschuhe sollen Michael Schrodi am 26. September erneut in den Bundestag tragen. Das jedenfalls wollen die Genoss*innen der SPD Haimhausen

Kreistagskandidat*innen der SPD stellen sich im Video vor

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Aus Haimhausen kandidieren drei SPD-Mitglieder im kommenden März für den Kreistag:

auf Platz 11 Michael Kausch

auf Platz 32 Ingrid Waizmann

auf Platz 63 Marcel Enzweiler

Sie werden den Interessen Haimhausen im Kreistag eine starke Stimme verleihen, eine Stimme für soziale Gerechtigkeit und ökologische Vernunft.

Auf der Facebook-Seite der SPD im Landkreis Dachau stellen sich weitere SPD-Kandidatinnen und -Kandidaten und kurzen Videos vor, vom 18-jährigen Juso bis hin zu Florian Hartmann, dem Dachauer Oberbürgermeister. Ein Besuch lohnt sich:

SPD Kreis Dachau Facebook

Einige Videos haben wir für Sie hier zusammengestellt:

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Die Digitalisierung als Herausforderung für die SPD oder: Auch die vierte industrielle Revolution braucht Revolutionäre

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Der folgende kleine Vortrag wurde von Michael Kausch, SPD Haimhausen, auf dem Parteitag der SPD im Kreis Dachau am 23. Juli gehalten. Der Autor ist seit vielen Jahren als Autor und Referent für „Digitale Kultur“ und die „Zukunft von Arbeit und Gesellschaft“ aktiv.

Märchenstunde:

Wir schreiben Donnerstag, den 2. Mai 2040. In den Fabriken arbeiten fast nur noch Roboter, angeleitet von automatisierten Lenkungssystemen, die auf künstlicher Intelligenz basieren. In der Logistik dominieren autonom fahrende und zentral gesteuerte Transportsysteme. Nur in Lenkungs-, Verwaltungs- und Dienstleistungsfunktionen werden noch menschliche Arbeitskräfte in nennenswerter Anzahl benötigt. Nur wenige von diesen Menschen arbeiten vor Ort in Pflege- und Service-Einrichtungen, etwa in Kliniken und Seniorenheimen. Sie tun dies meistens Hand in Hand mit sympathisch-freundlichen Service-Robotern.

Die meisten arbeitenden Menschen aber sind als mobile vernetzte Eigenunternehmer unterwegs: als Arzt in Fern-Diagnose-Systemen, als Journalist, Beraterin, Entwickler und Projektmanagerin. Automatisierte Online-Systeme vermitteln hier die Arbeitskraft stunden-, tage- oder wochenweise ganz nach dem wechselnden Bedarf der Wirtschaft.

Häufig wird kostenlos gearbeitet, um durch unbezahlte Jobs Kontakte und die viel gerühmten Netzwerke zu pflegen. Ohne diese Netzwerke kommt man nämlich kaum mehr an Aufträge heran. Man konkurriert einerseits – und immer häufiger – gegen automatisierte Systeme, also gegen sogenannte „Bots“, die auf künstlicher Intelligenz beruhen und rund um die Uhr an allen Tagen verfügbar sind und andererseits – immer seltener – gegen Online-Dienstleister in Niedriglohnländern, in Polen, Rumänien oder Indien. Letztere hatten vorübergehend Aufgaben im technischen Support, im Online-Vertrieb oder in der Buchhaltung von ihren deutschen Kolleginnen und Kollegen übernommen, ehe sie selbst von KI-Systemen ersetzt wurden.

Im 3D-Fernsehen wurde gestern Abend – am 1. Mai 2040 – erregt über den aktuellen Trend zum „Egg Freezing“ diskutiert, denn in der Tat leisten es sich immer weniger Frauen in jungen Jahren „schwanger“ zu werden. Wer einmal ein paar Jahre „aus dem Geschäft“ ist, verliert als Eigenunternehmerin schnell ihren Markenwert und ihre Kontakte. Eine gerechte Teilung von Erwerbsarbeit und Erziehung zwischen Mann und Frau wird durch die extreme Individualisierung und räumliche Mobilisierung schon seit Jahren zunehmend erschwert. Die Frauen leiden wieder einmal mehr unter den aktuellen gesellschaftlichen Veränderungen.

Andererseits werden gesetzliche Mindeststandards für Arbeit und Leben immer weniger politisch durchsetzbar, was auch an der Individualisierung und am geringen gewerkschaftlichen Organisationsgrad der Eigenunternehmer liegt. Wenig überraschend wurde gestern, am 1. Mai 2040, noch immer gesetzlicher Feiertag, eigentlich ganz normal gearbeitet. Nur ein paar Ewiggestrige trafen sich in dunklen Hinterzimmern billiger Altstadtkaschemmen um dort sogenannte Ortsvereinsversammlungen einer Partei abzuhalten, die bei der letzten Bundestagswahl erstmals nicht mehr die erforderlichen fünf Prozent Wähler- und Wählerinnenstimmen erreicht hat. Ein Fliegenschiss der Geschichte in Zeiten der großen schwarzgrünen Koalition.

So könnte es kommen. Aber auch ganz anders – Märchenstunde 2:

Wir schreiben Donnerstag, den 2. Mai 2040. Der erste Bundeskanzler, der den Vornamen Kevin trägt, hat am Vortag in seiner Rede auf der zentralen Mai-Kundgebung des DGB in Bremen darauf verwiesen, dass die Einführung der 30-Stunden-Woche nur der erste Schritt war auf dem Weg einer sozialdemokratischen Gestaltung der Auswirkungen von Industrie 4.0 und Digitalisierung. Die rotrotgrüne Bundesregierung, die sich auf Grundlage des erfolgreichen „Bremer Modells“ vor wenigen Jahren etabliert hat, sei auf dem besten Weg die alte Forderung von Willy Brandt „mehr Demokratie zu wagen“ mit Hilfe der Errungenschaften der Digitalisierung durchzusetzen: mehr Partizipation der Bürgerinnen und Bürger im transparenten digitalen Staat, mehr wirtschaftliche Beteiligung durch Online-Genossenschaften, die an die Stelle der alten unter einer hohen europaweiten Steuerlast darbenden internationalen Monopole Amazon und Google treten, weniger Arbeit und mehr Bildung für alle.

Im Mai 2040 hat sich bewahrheitet, was die OECD der Welt und Deutschland einst im Jahr 2018 prophezeite: In ihren Mitgliedsländern wurden 14 Prozent der damals vorhandenen Arbeitsplätze durch die Digitalisierung vernichtet, in Deutschland auf Grund der großen Bedeutung des produzierenden Gewerbes sogar 18,4 Prozent. Deutschland hat aber auf etwas reagiert, was die OECD 2018 noch bitter beklagte: dass in keinem anderen Mitgliedsland weniger weitergebildet wurde, als eben in Deutschland. Nur ein Viertel der betroffenen Erwachsenen wurde damals – 2018 – durch entsprechende Angebote geschult. Bei den hochqualifizierten Erwachsenen hingegen war Deutschland mit einer Weiterbildungsquote von rund 75 Prozent Spitzenreiter unter den OECD-Staaten. Die deutsche Gesellschaft drohte auseinander zu fallen. Die rotrotgrüne Bundesregierung hat hier frühzeitig durch eine Bildungsoffensive, durch regulierende Eingriffe in die Wirtschaft und durch geeignete politische Rahmenbedingungen dafür gesorgt, dass Arbeit umverteilt wurde und dass Strukturen gerechter wurden. Wie von der OECD vorausgesagt war innerhalb weniger Jahre jeder dritte Arbeitsplatz in Deutschland von der Digitalisierung grundlegend verändert worden. Aber die Politik hat diese Digitalisierung aktiv gestaltet.

Soweit die beiden Märchen, eines für Pessimisten, eines für Optimisten, die darauf setzen, dass wir die Digitalisierung aktiv gestalten können.

SPD-Landkreis-Chef Hubert Böck, Kreisrätin
Marianne Klaffki und MdB Michael Schrodi beim Plausch auf dem SPD-Parteitag, auf dem es um die Digitalisierung ging.

Wie aber können wir diese Digitalisierung sozialdemokratisch gestalten? Ein festes Programm dafür gibt es noch nicht. Aber ich will heute einige Eckpunkte für eine sozialdemokratische Technologiepolitik der 20iger Jahre des 21 Jahrhunderts grob skizzieren und zur Diskussion stellen:

1. Wir brauchen ein Programm zur Zukunft der Arbeit

Von 2013 bis 2017 waren durchgängig mehr als 30 Prozent der deutschen Wählerinnen und Wähler der Überzeugung, dass die CDU/CSU die meiste Lösungskompetenz beim Thema Arbeitsmarktpolitik habe. Lediglich 20 Prozent sahen mehr Kompetenz bei der SPD – obwohl doch die SPD in ihrem Selbstverständnis vielleicht nicht mehr die Partei der Arbeiter, aber doch wohl noch immer die Partei der Arbeit war.

Was muss sich ändern? Natürlich müssen wir dem Willen vieler Menschen Folge leisten, die flexibler arbeiten wollen. Deshalb ist die Forderung nach einem Recht auf Heimarbeit, von der SPD 2018 formuliert, richtig und wegweisend. Und natürlich ist es richtig, wenn die SPD heute eine soziale Sicherung von Freiberuflern fordert, also deren Einbeziehung in das Arbeitslosen- und Rentenversicherungssystem. Wir haben drei Millionen Selbstständige in Deutschland, die im Alter nicht abgesichert sind. Da droht uns in wenigen Jahren eine gewaltige Lawine an Sozialfällen zu begraben.

Aber es wird auch künftig Menschen in unserem Land geben, die kein Abitur machen und die sich nicht in hochkomplexe neue Tätigkeiten umschulen lassen wollen. Einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung zufolge sind Abstiegsängste bis weit in die Mittelschicht verbreitet: 80 Prozent der Geringverdiener sorgen sich um ihren Lebensstandard. Wir müssen das Recht auf Arbeit erst recht in Zeiten einer zunehmenden Flexibilisierung von Arbeit durchsetzen.

Wir benötigen auch künftig technisch einfach strukturierte Arbeitsplätze. Und diese Menschen können nicht alle Frisöre werden. Wer die Digitalisierung fördert oder auch nur akzeptiert, der muss dafür sorgen, dass wir genügend manuelle Arbeit auch in Zukunft in Deutschland haben werden. Und man muss von dieser Arbeit leben können. Also braucht es Mindestlöhne – natürlich auf europäischer Ebene – und Investitionen in den öffentlichen Sektor: Krankenpfleger und Straßenarbeiter sind nicht so einfach digital zu ersetzen und im öffentlichen Dienst können wir verhindern, dass sie von Robotern ersetzt werden. Nicht die akademische Laufbahn für Krankenpfleger ist wichtig, sondern eine gute Bezahlung für diesen heute schon anspruchsvollen Job. Wir brauchen einen starken öffentlichen Dienst für gut bezahlte Arbeit außerhalb der Digitalisierung.

2. Wir brauchen ein Programm zur Zukunft der Bildung

Es ist auch gut, wenn die SPD mehr Mittel in die Digitalisierung der Infrastruktur stecken will und in die Modernisierung des Bildungswesens. Aber Tablet-Computer im Schulranzen alleine erhöhen nicht nachhaltig die Kompetenz der jungen Menschen im Umgang mit digitalen Werkzeugen und Systemen. Bis sie ausgelernt haben sind ihre Computer schon längst Vergangenheit. Im digitalen Zeitalter ist die Vermittlung sozialer Grundkompetenzen wichtiger denn je. Wir brauchen vor allem mehr und gut ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer. In Schulen, in denen es nicht durch die Decke tropft und in denen wenigstens die Toiletten funktionieren. Wir brauchen nachhaltige Investitionen in unsere Infrastruktur des Wissens. Dies wird bei einer Fixierung auf die berühmte schwarze Null in unseren Haushalten aber nicht zu schaffen sein.

3. Wir brauchen ein Programm zur Zukunft der Regionen

Der immer wieder geforderte und geförderte Breitbandausbau ist gut und schön, aber er muss zu einer Angleichung der Lebensverhältnisse in allen Regionen Deutschlands führen, zu einem Ausgleich zwischen Stadt und Land. Die Digitalisierung bietet die Chance auf hochqualifizierte Arbeitsplätze in Weiden und Traunreut. Aber wenn wir zulassen, dass sich die großen Unternehmen immer noch auf die völlig überlastete Metropolregion München ausrichten verpassen wir die Chance der Digitalisierung. Also benötigen wir eine kluge Regionalförderung und offen gestanden passt eine Fokussierung auf Exzellenzuniversitäten in München nicht in eine solche Strategie.

Noch etwas: warum akzeptieren wir es eigentlich, dass Konzerne ein gutes Geschäft machen mit der Verkabelung der Städte und die öffentliche Hand dann das flache Land verkabeln soll? Gehört nicht der Ausbau der Infrastruktur grundsätzlich in öffentliche Hand? Ich meine schon!

4. Wir brauchen ein Programm zur Zukunft des Arbeitsrechts

Bei Deliveroo in Köln wurden Fahrradkuriere entlassen, weil sie einen Betriebsrat gründen wollten. Da zeigte sich plötzlich ein Problem: das Betriebsverfassungsgesetz sieht derzeit zur Gründung eines Betriebsrats vor, dass es einen physischen Betriebsort gibt. Der Betriebsort der Fahrradkuriere war aber ein Algorithmus. Das Beispiel zeigt: Wir müssen Arbeitnehmerrechte in der Digitalisierung erneuern.

Zahlreiche andere Vorgaben zur Arbeitsplatzverordnung sind ebenfalls nicht auf die Auswirkungen der Digitalisierung vorbereitet: Was ist mit dem Versicherungsschutz von Arbeitnehmern, die ihre E-Mails in der Bahn oder im Urlaub beantworten? Was passiert mit dem Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz, wenn die Menschen zunehmend im Coffee Shop am Notebook arbeiten? Ein weites Feld.

5. Wir brauchen ein Programm zur Zukunft einer demokratischen Wirtschaft

Natürlich benötigen wir eine globale Mindestbesteuerung digitaler Unternehmen auf europäischer Ebene. Aber das reicht nicht als Programm. Was spricht eigentlich gegen ein eigenständiges EU-Kartellamt, das als Digitalaufsicht die Marktmacht der großen Digitalkonzerne beschränkt und sie – gegebenenfalls auch ohne Nachweise eines Machtmissbrauchs – aufspalten kann? Dies ist eine Forderung der Grünen auf europäischer Ebene. Und sie ist sinnvoll.

Die sozialdemokratische Fraktion im EU-Parlament diskutiert, dass Digitalunternehmen, die einen festgelegten Marktanteil für eine bestimmte Zeit überschreiten, einen anonymisierten und repräsentativen Teil ihres Datenbestands veröffentlichen müssen. Dieser kann dann auch von Wettbewerbern genutzt werden. Gut so.

Vielleicht müssen wir auch neue Formen von Online-Genossenschaften aktiv fördern. Andrea Nahles hat vor einigen Monaten gefragt: „Warum schließen sich Restaurants und Gastronomiebetriebe nicht einfach selbst zusammen und gründen ihr eigenes ‚Foodora‘? Warum überlassen sie diesen Service einem renditegetriebenen Tech-Unternehmen, das selbst keine einzige Mahlzeit kocht?“ Eine sehr gute Frage, die wir mal beantworten sollten.

6. Wir brauchen ein Programm zur Stärkung des informationellen Selbstbestimmungsrechts der Bürgerinnen und Bürger

Die europäische Datenschutzgrundverordnung hat sicherlich allerhand Bürokratie mit sich gebracht, aber im Großen und Ganzen war sie ein Erfolg. Wir müssen uns daran machen nun auch die ePrivacy-Verordnung zum Schutz unserer Online-Kommunikation auf europäischer Ebene durchzusetzen. Sie soll uns vor Tracking und unerwünschter Werbung schützen. In diesem Zusammenhang geht es auch um eine Reform des Urheberrechts und den Ausbau der digitalen und transparenten öffentlichen Verwaltung.

Zusammenfassung

Machen wir uns nichts vor: die Digitalisierung, das Internet der Dinge, die Industrie 4.0, das alles wird nicht nur kommen, das ist schon da. Der Frankfurter KI-Experte Chris Boos hat das lakonisch mit folgendem Spruch erklärt: „Wir haben 200 Jahre lang Menschen beigebracht, wie Maschinen zu arbeiten. Und nun wundern wir uns, dass Maschinen es besser können.“ 

Aber wie gehen wir in der SPD damit um? Die Bertelsmann-Studie Populäre Wahlen hat ermittelt, dass 56 Prozent der SPD-Wähler und -Wählerinnen zu den Fortschrittsoptimisten gehören, 44 Prozent hingegen sind eher pessimistisch gestimmt.

Ich halte es bei der Einschätzung der Digitalisierung mit dem Gründer der italienischen kommunistischen Partei Antonio Gramsci: „Wir müssen Pessimisten der Intelligenz und zugleich Optimisten der Tat sein, also mit dem Schlimmsten rechnen und das Beste jederzeit anstreben“. Dies gilt auch und erst recht bei einer sozialdemokratischen Antwort auf die Herausforderungen von Digitalisierung, Internet der Dinge und Industrie 4.0.

Die Digitalisierung ändert die Art, wie wir leben und arbeiten. Wer, wenn nicht die Partei der Arbeit kann diese Digitalisierung menschenfreundlich gestalten?

SPD im Kreis Dachau fordert Mitgliederbefragung zur Wahl des neuen SPD-Vorstands

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Auf Antrag von Michael Kausch aus Haimhausen hat der Gesamtvorstand der SPD im Landkreis Dachau auf seiner letzten Sitzung am vergangenen Mittwoch folgendes beschlossen:

Nach dem desaströsen Wahlergebnis der SPD zur Europawahl 2019 und nach dem Rücktritt von Andrea Nahles als Bundesvorsitzende der SPD fordert die SPD im UB Dachau den Bundesvorstand der SPD zu folgenden Maßnahmen auf:

1. Die Kandidat*innen zur Wahl der/des nächsten Bundesvorsitzenden der SPD sollen sich vor der Wahl einer Abstimmung unter allen Mitgliedern der SPD stellen. Um den Mitgliedern die Möglichkeit zu geben, die Kandidat*innen kennen zu lernen, sollen sich diese in mehreren Veranstaltungen, z.B. Regionalkonferenzen, der Basis vorstellen.

2. Mit dieser Abstimmung sollen die Mitglieder der SPD über einen Verbleib der SPD in der Großen Koalition im Deutschen Bundestag abstimmen.

3. Diese Abstimmungen sollen kurzfristig – möglichst noch vor den Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen – stattfinden.

Begründung:

Partei, Personen und Programm müssen eine Einheit bilden. Vor der Wahl der/des Bundesvorsitzenden sollte deren/dessen Position zu einem weiteren Verbleib der SPD in der Großen Koalition im Bundestag bekannt sein. Deshalb sollte eine Entscheidung über diesen Verbleib nicht erst nach der Halbzeit der gegenwärtigen Legislaturperiode erfolgen, sondern vorgezogen werden. Für die Mobilisierung der Partei in den kommenden politischen Auseinandersetzungen ist eine Abstimmung über die Parteispitze und die Haltung gegenüber der Großen Koalition durch alle Parteimitglieder zwingend erforderlich. Die Wählerinnen und Wähler in den drei genannten Bundesländern sollten vor ihrer Stimmabgabe wissen, wie die SPD ihren künftigen bundespolitischen Kurs bestimmt.

 

Die SPD Haimhausen trauert um Heribert Widmann.

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heribert widmann spd

Heribert Widmann konnte vor wenigen Tagen ein Jubiläum feiern, das nur wenigen vergönnt ist: am Neujahrstag 2019 konnte er auf 50 Jahre Mitgliedschaft in der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands zurückblicken. Willy Brandt war noch Außenminister der großen Koalition in Bonn, als Heribert Widmann am 1. Januar 1969 in die SPD eintrat. Die Partei stand in jenen Jahren für Fortschritt, aktive Friedenspolitik und soziale Gerechtigkeit. Nach den Studentenunruhen der Jahre 1967 und 1968 traten immer mehr junge Menschen aus allen Schichten – nicht nur Studenten, sondern auch junge Arbeitnehmer*innen – in die SPD ein. Sie wollten den Muff der Adenauer-Ära endgültig hinter sich lassen. Unter ihnen war der junge 20jähriger Heribert Widmann.

Ein halbes Jahrhundert hat er die Entwicklung der SPD mitgestaltet. Er „diente“ ihr rund 30 Jahre als Kassier des SPD Ortsvereins Haimhausen und als langjähriges Vorstandsmitglied. Über drei Jahrzehnte, von 1978 bis 2008 vertrat er als SPD-Gemeinderat die Interessen der Bürgerinnen und Bürger in Haimhausen. 18 Jahre wirkte er als Sozialreferent. Er engagierte sich in zahlreichen Vereinen und Organisationen. Die von ihm organisierten Schafkopfturniere für die Fußballer im SV Haimhausen und im Verein Miteinander-Füreinander waren berühmt und beliebt.

Sein Platz war bei den Schafkopferten, nicht bei den Großkopferten

Dabei engagierte sich Heribert stets in erster Linie für die sozial Benachteiligten, für jene, die weniger Glück im Leben hatten und auf Hilfe angewiesen waren. Der stets bescheiden auftretende Heribert Widmann fühlte sich bei den „Schafkopferten“ wohler, als bei den „Großkopferten“. Sein großes soziales Engagement rührte aus zwei gleichberechtigten Quellen: aus seiner Tradition als Sozialdemokrat und aus seiner christlichen Überzeugung. So war Heribert als Mitglied der Kirchenverwaltung St. Nikolaus in seiner Gemeinde aktiv und mehr als 40 Jahre in der Katholischen Arbeitnehmerbewegung KAB.

Den Menschen in Haimhausen war er vor allem auch als langjähriger Leiter der örtlichen – inzwischen aufgelösten – Poststelle vertraut. Ein Postler mit sozialem Gewissen, ein bayerischer katholischer Sozialdemokrat alter Schule, ein Vorbild für uns alle – so wird er uns Sozialdemokrat*innen, aber auch allen Menschen in Haimhausen, die ihn schätzten, in Erinnerung bleiben.

Vor wenigen Tagen konnten wir noch seinen 70igsten Geburtstag feiern. Nun ist Heribert Widmann nach langer Krankheit und trotzdem für uns alle unerwartet am Dienstag, den 22. Januar 2019 verstorben. Die Trauerfeier findet am Freitag, den 1. Februar um 10 Uhr in der Inhauser Kirche statt, die Urnenbeisetzung anschließend auf dem Haimhauser Friedhof. Wir verneigen uns vor Heribert in großer Dankbarkeit und Trauer.

Diskussionsabend der SPD Haimhausen mit Martin Güll

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Martin Güll, SPD

Am Dienstag, den 9. Oktober 2018 kommt MdL Martin Güll ab 19:30 Uhr nach Haimhausen in den Gasthof Post (Haimhausen, Amperpettenbacher Str. 1).

Bei der Landtagswahl am 14. Oktober steht viel auf dem Spiel: Es geht um Toleranz und Humanität – gegen rechte Demagogie und Gewalt. Es geht um eine gerechte Gesellschaft mit Chancengleichheit für alle. Im Zentrum steht dabei für uns Sozialdemokraten einmal mehr die Bildungspolitik. Eine gute Bildung und Ausbildung ist die Grundlage für ein demokratisches Miteinander.
Seit zehn Jahren vertritt der langjährige Schulleiter Martin Güll unseren Wahlkreis im Bayerischen Landtag. Als Vorsitzender des Bildungsausschusses verfügt er wie kein Zweiter über Erfahrung und Kompetenz in der Bildungspolitik.

Martin Güll wird allen interessierten Bürgerinnen und Bürgern Rede und Antwort stehen: zu den Herausforderungen in der Bildungspolitik ebenso, wie zu allen anderen aktuellen landespolitischen Fragen.

Vor allem für Erstwähler/innen und Neubürger/innen bietet sich am 9. Oktober 2018 die Chance Martin Güll und die SPD in Haimhausen persönlich kennen zulernen.

Wir freuen uns auf alle interessierten Bürgerinnen und Bürger und auf eine offene und spannende Diskussion.

 

Wahlvorbereitung mit Kurt Tucholsky

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martin güll

Der große deutsche Schriftsteller Kurt Tucholsky hat 1930 unter dem Pseudonym Kaspar Hauser in der Weltbühne folgenden schönen Text über die Orientierungsprobleme vor der Wahl veröffentlicht:


Ein älterer, aber leicht besoffener Herr

Wie Sie mich hier sehn, bin ick nämlich aust Fensta jefalln. Wir wohn Hochpachterr, da kann sowat vorkomm. Es ist wejn den Jleichjewicht. Bleihm Se ruhich stehn, lieber Herr, ick tu Sie nischt – wenn Se mir wolln mah aufhehm … so … hopla … na, nu jeht et ja schon. Ick wees jahnich, wat mir is: ick muß wat jejessen ham … !

Jetrunken? Ja, det auch … aber mit Maßen, immer mit Maßen. Es wah – ham Sie ’n Auhrenblick Sseit? – es handelt sich nämlich bessüchlich der Wahlen. Hips … ick bin sossusahrn ein Opfer von unse Parteisserrissenheit. Deutschland kann nich untajehn; solange es einich is, wird es nie bebesiecht! Ach, diß wah ausn vorjn Kriech … na, is aber auch janz schön! Wenn ick Sie ’n Sticksken bejleiten dürf … stützen Sie Ihnen ruhig auf mir, denn jehn Sie sicherer!

Jestern morjen sach ick zu Elfriede, wat meine Jattin is, ick sahre: »Elfriede!« sahr ick, »heute is Sonntach, ick wer man bißken rumhörn, wat die Leite so wählen dhun, man muß sich auf den laufenden halten«, sahr ick – »es is eine patt … patriotische Flicht!« sahr ick. Ick ha nämlich ’n selbständjen Jemieseladn. Jut. Sie packt ma ’n paar Stulln in, und ick ßottel los.

Es wücht ein ja viel jebotn, ssur Sseit … so ville Vasammlungen! Erscht war ich bei die Nazzenahlsosjalisten. Feine Leute. Mensch, die sind valleicht uffn Kien! Die janze Straße wah schwarz … un jrien … von de Schupo … un denn hatten da manche vabotene Hemden an … dies dürfen die doch nich! »Runta mit det braune Hemde!« sachte der Wachtmeister zu ein, »Diß iss ein weißes Hemde!« sachte der. »Det is braun!« sachte der Jriene. Der Mann hat ja um sich jejampelt mit Hände und Fieße; er sacht, seine weißen Hemden sehn imma so aus, saubrer kann a nich, sacht a. Da ham sen denn laufen lassen. Na, nu ick rin in den Saal. Da jabs Brauselimmenade mit Schnaps. Da ham se erscht jeübt: Aufstehn! Hinsetzn! Aufstehn! Hinsetzn! weil sie denn nämlich Märsche jespielt ham, und die Führers sind rinjekomm – un der Jöbbels ooch. Kenn Sie Jöbbels? Sie! Son Mann is det! Knorke. Da ham die jerufen: »Juden raus!« un da habe ick jerufen: »Den Anwesenden nadhierlich ausjenomm!« un denn jing det los: Freiheit und Brot! ham die jesacht. Die Freiheit konnte man jleich mitnehm – det Brot hatten se noch nich da, det kommt erscht, wenn die ihr drittes Reich uffjemacht ham. Ja. Und scheene Lieda ham die –!

Als die liebe Morjensonne
schien auf Muttans Jänseklein,
zoch ein Rejiment von Hitla
in ein kleines Städtchen ein … !

Na, wat denn, wat denn … man witt doch noch singen dürfn! Ick bin ja schon stille – ja doch. Und der Jöbbels, der hat ja nich schlecht jedonnert! Un der hat eine Wut auf den Thälmann! »Is denn kein Haufen da?« sacht er – »ick willn iebern Haufn schießen!« Und wir sind alle younge Schklavn, hat der jesacht, und da hat er ooch janz recht. Und da war ooch een Kommenist, den ham se Redefreiheit jejehm. Ja. Wie sen nachher vabundn ham, war det linke Oohre wech. Nee, alles wat recht is: ick werde die Leute wahrscheinlich wähln. Wie ick rauskam, sachte ick mir: Anton, sachte ick zu mir, du wählst nazzenahlsosjalistisch. Heil!

Denn bin ick bei die Katholschen jewesn. Da wollt ick erscht jahnich rin … ick weeß nich, wie ick da rinjekomm bin. Da hat son fromma Mann am Einjang jestandn, der hatte sich vor lauter Fremmichkeit den Krahrn vakehrt rum umjebunden, der sacht zu mir: »Sind Sie katholischen Jlaubens?« sacht er. Ick sahre: »Nich, dass ick wüßte … « – »Na«, sacht der, »wat wollen Sie denn hier?« – »Jott«, sahre ick, »ick will mir mal informieren«, sahre ick. »Diß is meine Flicht des Staatsbirjers.« Ick sahre: »Einmal, alle vier Jahre, da tun wa so, als ob wa täten … diß is ein scheenet Jefiehl!« – »Na ja«, sacht der fromme Mann, »diß is ja alles jut und scheen … aber wir brauchen Sie hier nich!« – »Nanu … !« sahre ick, »sammeln Sie denn keene Stimm? Wörben Sie denn nich um die Stimm der Stimmberechtichten?« sahre ick. Da sacht er: »Wir sind bloß eine bescheidene katholische Minderheit«, sacht er. »Und ob Sie wähln oder nich«, sacht er, »desderwejn wird Deutschland doch von uns rejiert. In Rom«, sacht er, »is et ja schwierijer … aber in Deutschland … « sacht er. Ick raus. Vier Molln hak uff den Schreck jetrunken.

Denn wak bei die Demokratn. Nee, also … ick hab se jesucht … durch janz Berlin hak se jesucht. »Jibbs denn hier keene Demokraten?« frahr ick eenen. »Mensch!« sacht der, »Du lebst wohl uffn Mond! Die hats doch nie jejehm! Und nu jippse iebahaupt nich mehr! Jeh mal hier rin«, sacht er, »da tacht die Deutsche Staatspachtei – da is et richtich.« Ick rin. Da wah ja so viel Jugend … wie ick det jesehn habe, mußt ick vor Schreck erscht mal ’n Asbach Uralt trinken. Aber die Leute sinn richtich. Sie – det wa jroßachtich! An Einjang hattn se lauter Projamms zu liejn … da konnt sich jeder eins aussuchen. Ick sahre: »Jehm Sie mir … jehm Se mia ein scheenet Projamm für einen selbständigen Jemieseladen, fier die Interessen des arbeitenden Volkes«, sahre ick, »mit etwas Juden raus, aber hinten wieder rin, und fier die Aufrechterhaltung der wohlerworbenen Steuern!« – »Bütte sehr«, sacht det Frollein, wat da stand, »da nehm Sie unsa Projramm Numma siemundfürrssich – da is det allens drin. Wenn et Sie nicht jefällt«, sacht se, »denn kenn Siet ja umtauschn. Wir sind jahnich so!« Diß is eine kulante Pachtei, sahre ick Ihn! Ick werde die Leute wahrscheinlich wähln. Falls et sie bei der Wahl noch jibbt.

Wählt SPDDenn wak bei die Sozis. Na, also ick bin ja eijentlich, bei Licht besehn, ein alter, jeiebter Sosjaldemokrat. Sehn Se mah, mein Vata war aktiva Untroffssier … da liecht die Disseplin in de Familie. Ja. Ick rin in de Vasammlung. Lauta klassenbewußte Arbeita wahn da: Fräser un Maschinenschlosser un denn ooch der alte Schweißer, der Rudi Breitscheid. Der is so lang, der kann aus de Dachrinne saufn. Det hat er aba nich jetan – er hat eine Rede jehalten. Währenddem dass die Leute schliefen, sahr ick zu ein Pachteigenossn, ick sahre: »Jenosse«, sahre ick, »woso wählst du eijentlich SPD –?« Ick dachte, der Mann kippt mir vom Stuhl! »Donnerwetter«, sacht er, »nu wähl ick schon ssweiunsswanssich Jahre lang diese Pachtei«, sacht er, »aber warum det ick det dhue, det hak ma noch nie iebalecht! – Sieh mal«, sachte der, »ick bin in mein Bessirk ssweita Schriftfiehra, un uff unse Ssahlahmde is det imma so jemietlich; wir kenn nu schon die Kneipe, un det Bier is auch jut, un am erschten Mai, da machen wir denn ’n Ausfluch mit Kind und Kejel und den janzen Vaein … und denn ahms is Fackelssuch … es is alles so scheen einjeschaukelt«, sacht er. »Wat brauchst du Jrundsätze«, sacht er, »wenn dun Apparat hast!« Und da hat der Mann janz recht. Ick werde wahrscheinlich diese Pachtei wähln – es is so ein beruhjendes Jefiehl. Man tut wat for de Revolutzjon, aber man weeß janz jenau: mit diese Pachtei kommt se nich. Und das is sehr wichtig fier einen selbständjen Jemieseladen!

Denn wah ick bei Huchenberjn. Sie … det hat ma nich jefalln. Wer den Pachteisplitter nich ehrt, is det Janze nich wert – sahr ick doch imma. Huchenberch perseenlich konnte nich komm … der hat sich jrade jespaltn. Da hak inzwischen ’n Kimmel jetrunken.

Denn wak noch bei die kleinern Pachteien. Ick wah bei den Alljemeinen Deutschen Mietabund, da jabs hellet Bia; und denn bei den Tannenberchbund, wo Ludendorff mitmacht, da jabs Schwedenpunsch; und denn bei die Häußerpachtei, die wähln bloß in Badehosn, un da wah ooch Justaf Nahrl, der is natürlicher Naturmensch von Beruf; und denn wak bei die Wüchtschaftspachtei, die sind fier die Aufrechterhaltung der pollnschen Wüchtschaft – und denn wark blau … blau wien Ritter. Ick wollt noch bei de Kommenistn jehn … aber ick konnte bloß noch von eene Laterne zur andern Laterne … Na, so bink denn nach Hause jekomm.

Wählt SPDSie – Mutta hat valleicht ’n Theater jemacht! »Besoffn wie son oller liiijel –!« Hat se jesacht. Ick sahre: »Muttacken«, sahre ick, »ick ha det deutsche Volk bei de Wahlvorbereitung studiert.« – »Besoffn biste!« sacht se. Ick sahre: »Det auch … « sahre ick. »Aber nur nehmbei. Ick ha staatspolitische Einsichten jewonn!« sahre ick. »Wat wißte denn nu wähln, du oller Suffkopp?« sacht se. Ich sahre: »Ick wähle eine Pachtei, die uns den schtarkn Mann jibt, sowie unsan jeliebtn Kaiser und auch den Präsidenten Hindenburch!« sahr ick. »Sowie bei aller Aufrechterhaltung der verfassungsjemäßichten Rechte«, sahr ick. »Wir brauchen einen Diktator wie Maxe Schmeling oder unsan Eckner«, sahre ick. »Nieda mit den Milletär!« sahre ick, »un hoch mit de Reichswehr! Und der Korridor witt ooch abjeschafft«, sahre ick. »So?« sacht se. »Der Korridor witt abjeschafft? Wie wißte denn denn int Schlafzimmer komm, du oller Süffel?« sacht se. Ick sahre: »Der Reichstach muß uffjelöst wem, das Volk muß rejiern, denn alle Rechte jehn vom Volke aus. Na, un wenn eener ausjejang is, denn kommt a ja sobald nich wieda!« sahre ick. »Wir brauchen eine Zoffjett-Republik mit ein unumschränkten Offsier an die Spitze«, sahre ick. »Und in diesen Sinne werk ick wähln.« Und denn bin ick aust Fensta jefalln.

Mutta hat ohm jestanden und hat jeschimpft … ! »Komm du mir man ruff«, hat se jebrillt. »Dir wer ick! Du krist noch mal Ausjang! Eine Schande is es –! Komm man ja ruff!« Ick bin aba nich ruff. Ick als selbstänjdja Jemieseladen weeß, wat ick mir schuldich bin. Wollen wa noch ne kleene Molle nehm? Nee? Na ja … Sie missn jewiß ooch ze Hause – die Fraun sind ja komisch mit uns Männa! Denn winsch ick Sie ooch ne vajniechte Wahl! Halten Sie die Fahne hoch! Hie alleweje! Un ick wer Sie mal wat sahrn: Uffjelöst wern wa doch … rejiert wern wa doch …

Die Wahl is der Rummelplatz des kleinen Mannes! Det sacht Ihn ein Mann, der det Lehm kennt! Jute Nacht –!


(Kaspar Hauser, Die Weltbühne, 09.09.1930, Nr. 37, S. 405)

Die Große Koalition ist keine sozialdemokratische Bürgerpflicht

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Ein Beitrag zur Diskussion von Michael Kausch (Vorsitzender der SPD Haimhausen)

MichDie Mitglieder der SPD sind aufgerufen zu entscheiden, ob sie die SPD in einer Großen Koalition sehen wollen oder nicht. Die Debatte wird geführt – mit großer Ernsthaftigkeit und auch mit einer gewissen Härte. Und das ist gut so. Und ich bin stolz darauf, dass wir in der SPD solche Diskussionen führen können. Wir diskutieren auch in Haimhausen. Und ich habe meine Position im Ortsverein zur Diskussion gestellt. Und ich tue dies hier auf der Web-Seite der SPD Haimhausen. Dies ist ein Beitrag zur Diskussion, nicht mehr und nicht weniger. Und es ist MEINE Meinung und Position, also eine Meinung von vielen in der SPD. Ich plädiere gegen eine große Koalition. Wer anderer Meinung ist, kann dies hier aber gerne in einem Kommentar kund tun.

Anfangen möchte ich mit einem kritischen Blick in 179 Seiten Koalitionsvertrag. Dieser Vertrag kann unter den gegebenen politischen Mehrheitsverhältnissen kurzfristig eine erträgliche und in Ansätzen auch eine taugliche Grundlage für eine Regierungspolitik sein. Anschließend möchte ich darlegen, warum ich trotzdem und erst recht heute GEGEN eine Große Koalition bin. Und schließlich möchte ich meine Partei dazu ermuntern, sich nicht aufzugeben und im Streit aufzulösen. Die Sozialdemokratie hat nicht nur Vergangenheit, sie hat auch Zukunft. Egal, wie die Entscheidung über die GroKo ausgeht. Die Debatte um die Zukunft unseres Landes wird weitergehen. In und mit der SPD.

Der GroKo-Koalitionsvertrag

Der Koalitionsvertrag, das sind 179 Seiten mit vielen guten und leider auch vielen weniger guten Dingen, v.a. aber mit zahlreichen obskuren Zufälligkeiten. Und es geht wirklich nicht darum, ob sich hier SPD oder Union mehr durchgesetzt haben und ob die Kanzlerin mehr geqietscht oder die rote Andrea mehr gekrächzt hat.

Aber die SPD Unterhändler waren schon fleißig. Das merkt man daran, dass viele Formulierungen aus SPD-Papieren Eingang gefunden haben:

 

Braucht Wechselstrom …

Die KI-Forscher des Karlsruher Instituts für Technologie haben herausgefunden, dass zwischen 60 und 70 Prozent des Inhalts auf SPD-Positionen zurückgehen, nur 30 bis 40 Prozent auf den Einfluss der CDU/CSU.

Aber das liegt wohl daran, dass die SPD noch immer eine Programmpartei ist. In ihr wird Papier produziert, dass es raschelt. Ganze Wälder wurden in ihr schon abdiskutiert und die Digitalisierung und das Copy-Paste des Computerzeitalters haben nochmals zu einer Potenzierung des sozialdemokratischen Content-Drangs geführt. So finden sich im Koalitionspapier auch viele Sätze aus SPD-Papieren, denen die Union ganz einfach zustimmen konnte. Dort schreibt man nur nicht so viel.

Viel „Wille“, wenig „wird“

Es wird im Koalitionsvertrag viel „gewollt“ und wenig verbindlich zugesagt. Die meisten Dinge sind bloße Absichtserklärungen, es geht aber nicht aus dem Dokument hervor, wie die hübsch formulierten Ziele erreicht werden sollen.

Ein Beispiel: bis 2030 soll 65 Prozent des gesamten Stroms aus regenerativen Quellen wie Sonne, Wind, Wasser oder Biogas gewonnen werden. Laut aktuellsten Zahlen lag der Anteil erneuerbarer Energien in Deutschland im Jahr 2016 bei 31,5 Prozent und stieg damit im Vergleich zum Vorjahr um gerade einmal 0,2 Prozent an. Wen wir mit dem Tempo weitermachen, dann brauchen wir 150 Jahre um im Jahr 2030 anzukommen. Ein ziemliche Beugung im Raum-Zeit-Gefüge. Und selbst dann ist das Ergebnis noch problematisch. Die Biomasse macht nämlich mit einem Anteil von knapp 60 Prozent der Energiebereitstellung den Großteil der erneuerbaren Energien aus. Aber Mais-Monokulturen können nicht die Zukunft unserer Energiepolitik sein.

Das Papier bestätigt, dass die Koalition Fahrverbote in Innenstädten auf gar keinen Fall will. Aber konkrete Maßnahmen gegen die Feinstaubbelastung werden wenige genannt. Und wenn sie genannt werden, dann wird wieder einmal arg kurz gesprungen. Dass die Privatnutzung von Firmenfahrzeugen bei E-Autos nur mit 0,5 Prozent versteuert werden soll, statt mit einem vollen Prozent, wird man am Mittleren Ring in München eher nicht riechen. Konkrete Forderungen, z.B. der Ausstieg aus der Kohleverfeuerung, fehlen im Koalitionsvertrag. Man will mit gefesselten Füßen über den Grand Canyon springen. Das wird schmerzhaft.

Jetzt höre ich schon die Anhänger der GroKo rufen „Ein Koalitionsvertrag kann einfach nicht so konkret werden, wie du das gerne hättest.“ Einverstanden. Aber warum wird man dann an anderer Stelle, dort wo man keinem weh tun muss, plötzlich konkret? Es steht geschrieben:

„Im Deutschen Digitalen Frauenarchiv wird derzeit die Geschichte der deutschen Frauenbewegung digitalisiert und verfügbar gemacht. Dies wollen wir verlässlich absichern.“

Das Deutsche Digitale Frauenarchiv ist sicherlich wichtig. Aber die Finanzierung eines seiner Projekte wird im Koalitionsvertrag abgesichert, während wir beim Umweltschutz mal lieber nicht so konkret werden? Lasst es mich vorsichtig im Stile von Andrea Nahles formulieren: Der Vertrag wird immer nur dann konkret, wenn die Sache den meisten Unterhändlern am Arsch vorbeigeht. Oder wenn es sich aus dem derzeit prall gefülltem Staatssäckel locker finanzieren lässt. Die Unterschiede zwischen Union und SPD werden nicht geklärt und auch nicht irgendwie paritätisch ausgeglichen, sie werden mit Geld zugeschissen. Jedenfalls über weite Passagen des Koalitionsvertrags.

Was also verspricht die GroKo?

Arbeitsmarkt

Beginnen wir beim Thema, dass die SPD derzeit als ihren Haupterfolg feiern soll:

„Wir wollen den Missbrauch bei den Befristungen abschaffen. Deshalb dürfen Arbeitgeber mit mehr als 75 Beschäftigten nur noch maximal 2,5 Prozent der Belegschaft sachgrundlos befristen. … Die Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes ist nur noch für die Dauer von 18 statt bislang von 24 Monaten zulässig, bis zu dieser Gesamtdauer ist auch nur noch eine einmalige statt einer dreimaligen Verlängerung möglich. Wir wollen nicht länger unendlich lange Ketten von befristeten Arbeitsverhältnissen hinnehmen.“

Wenn dieser Koalitionsvertrag umgesetzt wird, könnte sich die Zahl sachgrundloser Befristungen um bis zu 400.000 reduzieren. Gut so. Nicht vergessen sollten wir aber, dass wir derzeit rund 1,6 Millionen Beschäftigte mit sachgrundlos befristeten Verträgen haben. Rund 900.000 von ihnen sind in Unternehmen mit mehr als 75 Mitarbeitern tätig. Die GroKo will ab dieser Firmengröße Unternehmen gestatten, maximal 2,5 Prozent der Belegschaft ohne Grund nur befristet zu beschäftigen.

Insgesamt haben wir zurzeit mehr als 3 Millionen Beschäftigte mit befristeten Arbeitsverhältnissen. Nur für ein gutes Zehntel verbessern wir die Lebensverhältnisse.

Ein Fortschritt ist sicherlich die Flexibilisierung der Arbeitszeit, dieses Mal nicht nach den Anforderungen der Unternehmen, sondern nach den Wünschen der Beschäftigten. In Unternehmen mit mehr als 45 Beschäftigten sollen Mitarbeiter, die in Teilzeit wechseln, später wieder ein Anrecht auf Rückkehr in ihre Vollzeitstelle erhalten. Das war in vielen Zeitungen so zu lesen. Aber es steht auch geschrieben: „Für Unternehmensgrößen von 46 bis 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wird eine Zumutbarkeitsgrenze eingeführt, dass lediglich einem pro angefangenen 15 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Anspruch gewährt werden muss.“ Und nun erinnert euch mal, was die IG Metall vor kurzem mit ihrem Streik durchgesetzt hat: Die Kolleginnen und Kollegen dort haben das Recht bis zu zwei Jahre bei vollem Lohnausgleich ihre Arbeitszeit von 35 auf 27 Stunden zu verkürzen. Gut verhandelt Kollegen! Das hat geqietscht!

Nach der Arbeit kommt die Rente

Drei Dinge sind hier wirklich wichtig. Erstens: das heutige Rentenniveau soll bis 2025 gesichert werden. Zweitens: wer in Rente geht, der soll nicht unter 48 Prozent im Vergleich zum letzten Lohn erhalten. Drittens: es soll eine Grundrente geben: Wer wenigstens 35 Jahre gearbeitet hat, soll eine Rente von mindestens zehn Prozent über der Grundsicherung erhalten. Kinderziehungs- und Familienpflegezeiten werden angerechnet. Gut so.

Ja, und dann gibt es noch eine Verbesserung bei der Mütterrente: Frauen, die vor 1992 mindestens drei Kinder zur Welt gebracht haben, erhalten einen dritten Rentenpunkt und damit rund 90 Euro mehr pro Monat.

Und tatsächlich: die Rentner sind die großen Gewinner der Koalitionsgespräche. Auf 622 Euro pro Jahr beziffern Ökonomen das Plus, mit dem Menschen über 65 Jahren pro Haushalt rechnen können.

Ich will jetzt nicht das Fass mit der Generationengerechtigkeit aufmachen. Ich will nur darauf hinweisen, dass keine soziale Gruppe stärker vom Koalitionsvertrag profitiert, als die Rentnerinnen und Rentner. Ich will aber auch darauf hinweisen, dass selbst im Bereich der Rentenpolitik wirklich grundlegende Fortschritte fehlen: Weder gibt es ein langfristiges Konzept zur Sicherung der Renten bei einer alternden Gesellschaft, noch auch nur das Gespür für Gender-Gerechtigkeit. Und die hochgelobte Grundrente ist eine bessere Sozialhilfe, weil auch sie einer Bedarfsprüfung unterliegt. Wer zum Beispiel einen Partner hat, der mehr verdient hat, der hat keinen Anspruch. Ehemals geringverdienende Frauen bleiben so abhängig von ihren Ehemännern. Viele Kleinrenterinnen werden von der Grundrente gar nicht profitieren.

Kommen wir von den Alten zu den Kindern

Das Kindergeld soll schrittweise erhöht werden. Bis zum Ende der Legislaturperiode sollen es monatlich 25 Euro pro Kind mehr sein. Gut so. Oder vielleicht doch nicht? Das Kindergeld geht an alle. Ja, das ist gut so. Aber es bedeutet nicht mehr soziale Gerechtigkeit. Der Arzt mit seinen beiden Kindern profitiert davon ebenso, wie die alleinerziehende Arbeiterin. Bei den Kita-Gebühren, die entfallen sollen, ist es ähnlich.

Anders ist es beim Baukindergeld: da profitiert der Gutverdiener sicherlich eher, als der einfache Arbeiter oder Angestellte. Zehn Jahre lang sollen Familien 1.200 Euro je Kind und Jahr erhalten, um sich den Traum vom Häuschen im Grauen leichter verwirklichen zu können. Die Unterstützung soll bis zu einem zu versteuernden Haushaltseinkommen von 75.000 Euro plus 15.000 Euro Freibetrag je Kind gewährt werden. Eine Familie mit zwei Kindern und 100.000 Euro Einkommen wird gefördert. Diejenigen aber, die am wenigsten haben, profitieren von diesem Programm gar nicht. Da bleibt das Eigenheim immer ein Traum. Und nur Träumen kostet nichts.
Sie haben auch nichts von den geplanten Zuschüssen für haushaltsnahe Dienstleistungen. Auch diese muss man sich erstmal leisten können.

Aber den sozial Schwächsten bleibt ja das „Schulstarterpaket für Schulmaterial von Kindern aus einkommensschwachen Familien“.

Aber Moment: Gibt es denn keine Lernmittelfreiheit in Deutschland? Nö, gibt es nicht. Und immer weniger. In Deutschland geht die Lernmittelfreiheit auf Forderungen von 1848 zurück, als man Bildung unabhängig vom Einkommen der Eltern ermöglichen wollte. 1848 – das Thema ist ja älter als die SPD! Gäbe es bei uns eine Lernmittelfreiheit wie zum Beispiel in Finnland, dann bräuchte es das Schulstarterpaket auch nicht. Finnische Hefte, Stifte und Radiergummis sind zumindest bis zur neunten Klasse kostenlos. Radieren ist dort auch eine Klassenfrage – aber anders als bei uns.

Nur zur Klarstellung: Die Förderung von Familien mit Kindern ist gut und richtig. Den Ökonomen des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung ZEW zufolge könnte die Altersgruppe der 26- bis 39-Jährigen künftig im Jahr pro Haushalt knapp 450 Euro mehr in der Tasche haben. Die Entlastung würde auf 740 Euro jährlich steigen, sofern die GroKo die Kita-Gebühren komplett abschafft. Das sind die positiven Auswirkungen der familienpolitischen Konzepte im GroKo-Papier. Familien mit Kindern profitieren immerhin fast so sehr wie Rentner. Da wird gut Geld gestreut. Aber Umverteilung geht anders. Und Umverteilung täte Not.

Natürlich ist auch das geplante Investitionsprogramm in Schulen grundsätzlich richtig und wichtig. Zwei Milliarden Euro sollen in den Ausbau von Ganztagsschulen und -betreuungsprogrammen fließen, fünf Milliarden in die Digitalisierung der Schulen. Von der Stärkung der Berufsschulen ist die Rede und von höheren Zuschüssen für Techniker, Meister und Fachwirte. Bei diesen Themen können sich Union und SPD leicht einigen. Dass Deutschland in Sachen Ganztagsschulen und Digitalisierung im europäischen Vergleich deutlich zurückliegt, dürfte niemanden entgangen sein. Also schaufelt man Geld vom zurzeit fetten Staatssäckel in dringend notwendige Investitionen. Aber braucht es dafür wirklich eine Große Koalition?

Mit der GroKo gegen den Pflegenotstand

In einem Pflege-Sofortprogramm sollen 8.000 neue Fachkraftstellen in Pflegeeinrichtungen entstehen. Klingt gut. Andererseits: je nach Schätzung sollen bis zum Jahr 2025 in Deutschland zwischen 100.000 und 200.000 Vollzeitpflegekräfte fehlen. Das GroKo-Paket ist da ein Pflaster nach der Beinamputation. Das ist jedenfalls nicht die Lösung, die wir in den kommenden Jahren gegen den Pflegenotstand finden müssen. Ich fürchte eher, dass mit dem Pflaster ein Therapieverbot einhergeht, mit dem Koalitionspapier ein Denkverbot für wirkliche Lösungsalternativen.

Das ist wie bei der Grundsatzreform des Gesundheitswesens. Wir alle wissen, dass wir mit der Überalterung unserer Gesellschaft und bei allen Fortschritten in der Gesundheitsforschung unser heutiges Gesundheitswesen an die Wand fahren werden. Die Zwei-Klassen-Medizin, die wir heute schon haben, wird den Versorgungsgrad in unserer Gesellschaft immer weiter auseinanderdriften lassen. Ich weiß ja, dass die SPD die Bürgerversicherung gerne durchgesetzt hätte. Aber es ist nicht nur bitter, dass hier kein Fortschritt gelungen ist, sondern es ist gefährlich, dass hier einfach nichts passiert.

Es bleibt als vermeintlich sozialdemokratischer Erfolg die paritätische Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung.

Die Umwelt

Regelmäßig werden in Deutschland EU-Richtlinien übertreten. Die Luftverschmutzung führt schon dazu, dass die EU dem deutschen Saubermann mit Sanktionen droht. Der Koalitionsvertrag beschränkt sich aber auf ein zaghaftes Bekenntnis, diese Herausforderungen auch angehen zu wollen. Im Angesicht von Klimawandel und Luftverschmutzung seien „innovative Produkte und Geschäftsmodelle“ gefragt.

So bewerten wenig überraschend die Umweltschutzverbände den Koalitionsvertrag äußerst kritisch. Insbesondere beklagen sie die Beibehaltung umweltschädlicher Subventionen für Diesel sowie das Fehlen strengerer CO2-Grenzwerte für Pkw und Lkw.

Germanwatch schreibt zum Beispiel: „Man kann nicht für den Verkehrsbereich das ambitionierte Ziel setzen, die Emissionen um 40 bis 42 Prozent bis 2030 zu reduzieren und zugleich für die Umsetzung des aktuellen Bundesverkehrswegeplans massive Investitionen in Straßen ankündigen.“ Selbst die Forderung nach einer verpflichtenden Hardware-Nachrüstung auf Kosten der Autohersteller fehlt.

Die zermatschten Insektenleichen auf den Windschutzscheiben werden aber doch irgendwie vermisst. Erstmals schreibt der Koalitionsvertrag den Schutz von Wildnis und Insekten als politische Ziele fest und verspricht umfassende Programme zu ihrem Schutz. Demnach sollen Wildnisfonds als nationales Naturerbe um 30.000 Hektar ausgeweitet, mehr Flüsse renaturiert werden. Erstmals will die Bundesregierung auch eine Strategie zum Schutz der Moore entwickeln. Der Naturschutzbund Deutschland (NABU) nennt das Vorhaben ambitioniert. „Was allerdings fehlt, ist ein übergeordneter Plan, der an Klima, Infrastruktur und den Erhalt unserer Lebensgrundlagen zusammen denkt“, sagt NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller. Und Hubert Weiger, Vorsitzender des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) macht deutlich, warum größere Vorhaben nicht in dem Vertrag verankert wurden: „In zu vielen Politikbereichen siegt bei Union und SPD der kleinste gemeinsame Nenner.“

So wird das Ziel, die internationalen Vorgaben zum Klimaschutz bis 2020 zu erreichen, locker aufgegeben. Erst bis 2030 will man nun internationale Vorgaben erfüllen, für die man selbst vorher gekämpft hat. Und wenn es um konkrete Maßnahmen geht schweigt sich das Papier wieder aus. Kein Wunder: Union und SPD haben keine gemeinsame Strategie zum Schutz unserer Umwelt und unserer Heimat. Umweltpolitisch herrscht die Große Koalition des kleinsten gemeinsamen Nenners. Mit der CDU/CSU ist eine nachhaltige unsere Umwelt und Heimat schützende Politik einfach nicht zu machen.

Technologiepolitik

Hier rächt sich, dass im ersten Entwurf des Papiers zur Technologiepolitik noch kaum was drinstand. Jetzt wurde halt schnell was reingeschrieben. Gut, dass man da eine vier Jahre alte Koalitionsvereinbarung als Vorlage hernehmen konnte. Dass die 100 wichtigsten Online-Verwaltungsleistungen online angeboten werden sollen, hatte man ja vor vier Jahren schon mal beschlossen. Auf dieses Ziel, dem man ja bislang nicht nähergekommen ist, konnte man sich also schnell wieder verständigen.

So wie es sicherlich kein Problem war sich darauf zu einigen, dass schnelles Internet im Jahr 2025 verfügbar sein wird. Auch dies hatte die Große Koalition ja schon einmal beschlossen, nämlich im Jahr 2014. Allerdings wollte man da das Netz schon bis 2018 gesponnen haben.

Ein Online-Zugangsgesetz und ein Digitalisierungspakt sollen künftig die „Verteilung der notwendigen Investitionskosten“ regeln. Wie dies geschehen soll, bleibt offen. Aber es soll ja auch die Weitergabe von Daten zwischen Behörden erleichtert werden und gleichzeitig „das hohe deutsche Datenschutzniveau“ gewahrt bleiben. Was man darunter verstehen soll und kann und darf – das unterliegt vermutlich dem Datenschutz. Oder der Unkenntnis der Unterhändler in Technologie-Fragen. Alles bleibt Absicht, alles bleibt Versprechen, nichts ist Lösung:

„Um das Potential der Blockchain-Technologie zu erschließen und Missbrauchsmöglichkeiten zu verhindern, wollen wir eine umfassende Blockchain-Strategie entwickeln und uns für einen angemessenen Rechtsrahmen für den Handel mit Kryptowährungen und Token auf europäischer und internationaler Ebene einsetzen. Die Möglichkeiten der bargeldlosen Zahlung sollen im digitalen Zeitalter erweitert werden.“

Und an anderer Stelle heißt es: „Wir wollen ein hohes Schutzniveau für die Vertraulichkeit von Kommunikationsdaten bei der E-Privacy-Verordnung und zugleich den Spielraum für Innovation und digitale Geschäftsmodelle erhalten.“ Übrigens: auf EU-Eben wird gerade eine Verordnung vorbereitet, in der geregelt werden soll, dass eine kommerzielle Verwertung persönlicher Daten nur nach Zustimmung des Betroffenen erlaubt sein soll. Brüssel ist da viel konkreter als Berlin und man mag sich gut vorstellen, wie irgendein wild gewordener CDU-Minister in Brüssel im letzten Moment wieder auf die Bremse tritt.

Asyl, Migration und Integration

Der Familiennachzug für subsidiär Geschützte (also im Wesentlichen für Bürgerkriegsflüchtlinge) soll auf 1.000 Personen pro Monat begrenzt werden. Der sicherlich nicht als linksradikal verdächtige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland Heinrich Bedford-Strohm meint hierzu:

„Das sehen wir mit großer Sorge, denn das Recht auf Familiennachzug ist nun aufgegeben. Ab August sollen 1.000 Menschen pro Monat nachkommen können, aber man weiß nicht, nach welchen Kriterien sie ausgesucht werden sollen. Viele werden von ihren Familien getrennt bleiben. Der Familiennachzug ist aber für die Integration von großer Bedeutung. Wer in ständiger Angst um seine Familie lebt, kann sich hier viel schlechter integrieren.“

Man wird abwarten müssen, ob das Bundesverfassungsgericht diese Stelle des Koalitionsvertrags am Ende nicht als verfassungswidrig einstufen wird.

Für die Geflüchteten, die bereits hier sind, sollen die „Standards bei der Versorgung und Unterbringung von Asylbewerbern harmonisiert“ werden. Im Klartext: sie sollen in zentralen Aufnahme-, Entscheidungs- und Rückführungseinrichtungen kaserniert werden. In den zum Vorbild erklärten bayerischen Einrichtungen erhalten zurzeit nicht einmal mehr unabhängige Rechtsberater Zugang zu den Flüchtlingen. Eine solche Harmonisierung ist schändlich und unmenschlich.

Die Menschenrechtsorganisation „Pro Asyl“ hat die vereinbarten Maßnahmen als „überwiegend integrationsfeindlich“ und „teilweise rechtswidrig“ kritisiert. Dabei macht der Koalitionsvertrag an anderer Stelle deutlich, dass er sich durchaus auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung sieht. Beim Respekt vor geschlechtlicher Vielfalt erklärt das Papier: „Wir werden die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts hierzu umsetzen.“ Wenn man das schon extra schreiben muss …


Viele Teile des Koalitionsvertrags bleiben an dieser Stelle unbehandelt. Auch über Krieg und Frieden wäre zu berichten, über mangelnde Klarheit in Sachen Rüstungsexporte und über die Abkehr von der alten SPD-Position für ein atomwaffenfreies Deutschland. Konzentrieren wir uns auf die vermeintliche sozialdemokratische Kernkompetenz: auf soziale Gerechtigkeit:

Die Schwere zwischen Einkommen und Vermögen der Reichen auf der einen Seite und den Armen auf der anderen Seite ist in den letzten Jahren im internationalen Vergleich fast nirgendwo stärker aufgegangen, als in Deutschland – und das auch in langen Jahren sozialdemokratischer Regierungsbeteiligung. Die Politikverdrossenheit und das Aufkommen der neuen Rechten können nicht losgelöst von dieser Tendenz betrachtet werden. Eine sozialdemokratische Regierungsarbeit ohne Umverteilung von oben nach unten darf es nicht mehr geben. Im Rahmen der GroKo-Gespräche war von Vorschlägen zur Umverteilung nach unten gar nichts zu hören. Stattdessen ging es immer nur um kleine und kleinste Korrekturen. Stattdessen werden 10 Milliarden Euro ausgegeben um den Solidaritätszuschlag weitgehend abzuschaffen. Aber gerade der hatte – lassen wir mal den zeitlich befristeten Zweck dieser Umlage außen vor – eine durchaus soziale Komponente.

Und hier bin ich auch – unabhängig von einzelnen Regelungen im Koalitionsvertrag beim entscheidenden Punkt:

Argumente gegen GroKo und Biedermeier

Ich halte eine Große Koalition zurzeit für schädlich, nicht nur für die SPD, sondern für unser Land. Die wachsende soziale Ungleichheit, aber auch die Beschleunigung von Arbeit und Leben, die Globalisierung und die ständige Veränderung und Technisierung unseres Lebens haben bei vielen Menschen zu Unsicherheit und Orientierungslosigkeit geführt.

Und ich weiß auch, dass wir aus gutem Grund von vielen Menschen vieles abfordern: unsere Forderungen nach Toleranz für alternative Lebensformen, nach Gender-Gerechtigkeit, nach kultureller Vielfalt und Aufnahme von Menschen aus anderen Kulturkreisen ist eine zusätzliche Herausforderung für viele Menschen, die Geborgenheit, Stabilität und mehr oder weniger stabile soziale Rollenstrukturen suchen. Aber jedes Biedermeier ist eine Reaktion auf beschleunigte gesellschaftliche Veränderungen und die Radikalisierung des Biedermeier ist eine ständig lauernde Gefahr. Die Menschen sind nicht einfach tolerant oder intolerant, rassistisch-nationalistisch oder multikulti. Die Menschen suchen Halt. Und wenn die Menschen Halt suchen gegen eine Kanzlerin, die sie als Zumutung empfinden, weil sie für eine Zeit der Verunsicherung steht, dann braucht es eine attraktive Opposition.

Heute kann nur die SPD eine solche Opposition bilden. Sollen soziale Absteiger und Verunsicherte ihr Heil in der FDP der agilen Unternehmensberater finden? Oder bei den Oberstudienrät/inn/en der Grünen, also in der neuen und moderneren liberalen Partei? Oder gar in der Trachtengruppe der Arbeiterbewegung, der traditionalistischen Linken?

Die AfD als Opposition, als Kristallisationskern der Protestwähler, ist hochgradig gefährlich. Wir müssen alles dafür tun, dass der neue Rechtsradikalismus wieder im braunen Sumpf verschwindet, aus dem er gekrochen kam.

50 Prozent der AfD-Wähler gehören der SPD

Es ist eine sozialdemokratische Aufgabe das Protestpotential zu binden und den abstiegsbedrohten Menschen politische Heimat und politische Alternativen zu bieten. Unser Land braucht eine starke und glaubwürdige demokratische Opposition. Deshalb war und bin ich gegen eine GroKo. Von der GroKo wird zuallererst die AfD profitieren. Und das ist für Deutschland das schlimmste Zukunftsszenario.

Es ist nicht die verfassungsgemäße Aufgabe der SPD Merkel zu einer Mehrheit zu verhelfen. Kaum macht sich die FDP aus dem Staub, schon sieht sich die SPD wieder in der großen vaterländischen Verantwortung. Wirkt denn da das Misstrauen aus der Adenauer-Ära oder gar der Aussatz aus der Zeit der Sozialistengesetze noch immer als Minderwertigkeitskomplex nach? Erst das Vaterland, dann die SPD?

Die Zukunft der SPD – der SPD die Zukunft

Für eine Integration der Verstoßenen muss man nicht die aufgeklärten und sozial verantwortlich denkenden Mitbürger verlieren. Eine Partei, die sich um soziale Gerechtigkeit kümmert, kann – nein: muss – auch eine Partei der Modernisierer sein. Wer die AfD überflüssig machen will, der muss und darf nicht deren rechte Positionen übernehmen. Soziale Gerechtigkeit ist im Interesse aller Menschen, denn die Fortführung der Spaltung unserer Gesellschaft führt zu Unruhe und innerem Krieg, führt zu Aufständen wie in den Banlieues von Paris, führt zur Intoleranz wie in Ungarn, führt zu einem Leben, wie es auch aufgeklärte Besserverdiener auf Dauer nicht wollen können.

Andererseits gibt es heute schon für viele ursozialdemokratische Forderungen gesellschaftliche Mehrheiten – aber eben keine parlamentarischen Mehrheiten. Es ist natürlich ein unsinniges Geschwätz zu glauben, dass man sich als Partei in der Opposition leichter erneuern kann. Die bayerische SPD versucht schon seit mehr als vierzig Jahren vergeblich in der Opposition ein Phönix zu werden. Gutes Personal alleine reicht nicht. Opposition ist Mist, das stimmt schon. Aber Regierung kann noch mistiger sein. Jedenfalls wenn sie keine Perspektive für politische Veränderung bietet.

Das unterscheidet bundespolitisch das Jahr 2018 von 1966. Die SPD muss ihre Regierungsfähigkeit niemandem mehr beweisen. Und der gesellschaftliche Trend spielt der SPD zur Zeit nicht in die Hände. Eine große Koalition wird immer als „weiter so“ wahrgenommen und ein „weiter so“ will derzeit keine Mehrheit der Bevölkerung.

Für soziale und demokratische, freiheitliche und tolerante, und vor allem für glaubwürdige Alternativen gibt es Stimmen zu gewinnen. Darauf sollte sich die SPD konzentrieren. Und ganz egal wie die Abstimmung in der SPD über die Groko ausgehen wird: für eine solche Politik lohnt sich die Arbeit auch in Zukunft und für eine solche Politik gibt es keine Alternative außerhalb der SPD, nicht bei den grünen Oberstudienräten und nicht bei der linken Volkstanzgruppe.

Manch ein verdienter Sozialdemokrat meint fürsorglich über die GroKo-Skeptiker und mit dem Blick auf die plötzlich medial so präsenten Jusos, es sei das Recht der Jugend zu träumen. Nein – es ist die Pflicht der SPD einen Traum von einer gerechteren Gesellschaft zu träumen und weiterzugeben, damit der Albtraum der neuen Rechten nicht wahr wird.

Deshalb werde ich als SPD-Mitglied gegen die GroKo stimmen. Nicht weil die SPD schlecht verhandelt hätte. Nicht weil das alles nicht reicht, was im Koalitionsvertrag steht. Das reicht mir nicht, aber das ist nicht der Grund meiner Ablehnung. Ich will, dass die SPD eine Heimat für von Merkel enttäuschte Bürgerinnen und Bürger sein kann. Deshalb sollte die SPD nicht wieder ins Bett der schwarzen Witwe schlüpfen. Ein zweites Mal würde sie den Liebeszauber vielleicht nicht überleben.

Michael Schrodi in Berlin – Nachbetrachtung zur Bundestagswahl 2017 in Haimhausen

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In einer ausführlichen Wahlnachlese zur Bundestagswahl haben wir hier auf der Web-Seite der SPD Haimhausen die Ergebnisse der Parteien, Wählerwanderungen und -motivation analysiert. Im Folgenden wollen wir die Ergebnisse der Wahl in Haimhausen und im Landkreis Dachau im Überblick vorstellen.

In Haimhausen, wie im Kreis Dachau hat die SPD Stimmen verloren. Trotzdem ist es uns gelungen mit Michael Schrodi nach vielen Jahren endlich wieder einmal einen Abgeordneten aus unserem Wahlkreis Fürstenfeldbruck-Dachau ins Berliner Parlament zu entsenden. Michael Schrodi gelangte über die Wahlliste der Bayern-SPD nach Berlin. Dort war er gut platziert und profitierte obendrein indirekt von den hohen Verlusten der CSU. Die CSU brachte erwartungsgemäß in Bayern alle ihre Erststimmenkandidaten durch. Auf Grund des schlechten Gesamtresultats entfielen so auf die bayerische SPD einige Ausgleichsmandate. Durch diese Hintertür gelangte also auch Michael Schrodi ins Reichstagsgebäude. Aber Michael Schrodi hat sich diesen Erfolg verdient, nicht nur weil er ein seit vielen Jahren verdienter Kommunalpolitiker und ein intelligenter, netter und aufrichtiger junger Politiker ist, sondern weil er persönlich bei dieser Wahl auch sehr gut abgeschnitten hat.

Ein Blick auf die Übersicht der Erst- und Zweitstimmenergebnisse der Parteien im Landkreis Dachau zeigt dies:

Erfahrungsgemäß erhält die CSU mehr Erststimmen, als Zweitstimmen, da andere Kandidaten kaum Chancen auf das zu vergebende Direktmandat haben. Die Differenz zwischen Erst- und Zweitstimmen war allerdings bei keinem Kandidaten positiver als bei Michael Schrodi: er erhielt 17,2 Prozent der Erststimmen, die SPD nur 13,1 Prozent – für Michael Schrodi ein hervorragendes Ergebnis.

Leider zeigt diese Grafik auch ein anderes, weniger schönes Ergebnis: die SPD liegt bei den Zweitstimmen im Landkreis Dachau nur noch ganz knapp vor der rechtsradikalen AfD, die auf 12,3 Prozent der Stimmen kam. Auch überraschend: die FDP hat im Kreis die Grünen überholt und die Linke kommt immerhin auf fast fünf Prozent.

Auch im Vergleich zu allen anderen oberbayerischen sozialdemokratischen Erststimmenkandidaten hat Michael Schrodi hervorragend abgeschnitten:

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Soziale Demokratie statt Rechtsradikalismus – eine Wahlnachlese zur Bundestagswahl 2017

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Bundestag

Nach der Bundestagswahl 2017 ist nichts mehr wie zuvor:

  • CDU/CSU und SPD haben herbe Verluste hinnehmen müssen
  • Mit der AfD hat sich eine rechtsextreme Partei etabliert
  • Die SPD wechselt in die Opposition

Die Auswirkungen werden auch in der Region zu spüren sein. In der SPD Haimhausen haben wir uns das Wahlergebnis einmal genauer angeschaut. Und wir wollen Konsequenzen ziehen.

Eine Klatsche für die großen Volksparteien

Die schlimmsten Verluste hat die CDU/CSU eingefahren. Dabei gilt: in Bayern war es für die Union besonders schlimm, im Kreis Dachau noch schlimmer. Aber auch die SPD hat verloren:

  • im Bund 5,2%
  • in Bayern 4,7%
  • im Kreis DAH nur 3,6%

Die CDU/CSU verliert

  • im Bund 8,6%
  • in Bayern 10,5%
  • im Kreis DAH 12,1%

Der Blick auf die Ergebnisse der CDU/CSU können uns aber nicht trösten: Die SPD ist nicht nur auf Bundesebene auf einen Stimmenanteil von knapp über 20 Prozent abgerutscht, je weiter wir von Berlin in den Süden kommen, desto schwächer steht die SPD heute da:

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