Die Antwort weiß nur der Wind – Informationsveranstaltung zum Thema Windenergie in Haimhausen
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“Können wir sicher sein, dass nicht eines Tages irgendein großer Stromkonzern kommt und uns ein Windparkanlage vor die Haustür setzt?”
Diese Frage stand wie ein Menetekel im Raum, als sich am 29. Juni 2011 ausgewiesene Experten zum Bürgergespräch in der Mittelschule Haimhausen versammelten. Denn Windenergie als eine Alternative zur Atomkraft wollen wir natürlich alle – aber müssen die Windräder ausgerechnet vor der eigenen Haustür stehen?
Vor mehr als 100 Bürgerinnen und Bürgern diskutierten und informierten über Windkraft in Haimhausen und im Landkreis Dachau (von links nach rechts): Alexander Krug und Stefan Löwl vom Landratsamt DAH, Dr. Franz Dirnberger, Direktor beim Bay. Gemeindetag, und Planer und Gutachter Hans Brugger.
Auf Einladung der Gemeinde Haimhausen machten die Experten deutlich, dass Gemeinden derzeit nur wenige Möglichkeiten haben, auf die Planung von Windenergieanlagen ordnend Einfluss zu nehmen.
Bayern ist Schlusslicht bei der Windenergie
Die Nachfrage nach Windenergie nimmt derzeit dramatisch zu. Hintergrund ist nicht nur der beschlossene Ausstieg aus der Atomenergie, sondern auch der Rückbau der Förderung der Solarenergie. Deutschland belegt derzeit nach den USA und vor China weltweit Rang zwei unter den größten Erzeugern von Windenergie. Allerdings stehen die meisten Windräder in Norddeutschland – an den Küsten und im Flachland. Bayern und Baden-Württemberg bilden gemeinsam mit den Stadtstaaten die Schlusslichter. Den Niedersachsen zum Beispiel bläst heute der Wind mehr als zehnmal so stark in die Kraftwerke, als den Bayern. Dabei ist der Energiebedarf in den boomenden Südstaaten hoch. Auch in der Wachstumsregion München. Und Wind haben wir im Süden auch. Nur will selten jemand die Windräder bei sich haben. Manche Bürger finden Windenergieanlagen nicht schön, andere fürchten Schattenwurf und Lärmbelästigungen.
Der Bürger hat in Sachen Windkraft nicht viel mitzureden
Nun sollte man meinen, dass es auch bei uns im Süden ausreichend Raum für Windräder geben sollte – weit genug entfernt von Wohnsiedlungen, vielleicht im Gewerbebereich oder an Autobahnen. Dies setzt aber voraus, dass die Bürgerinnen und Bürger bei der Ansiedlung von Windkraftanlagen ein Wörtchen mitzureden haben. Die Menschen müssen entscheiden, wo die zweifelsfrei notwendigen Windräder gebaut werden. Schön wär’s ja. Denn die Diskussion in Haimhausen machte schnell klar, dass die Bürger und ihre gewählten Vertreter, die Gemeinderäte nur wenige Möglichkeiten haben, auf die Planung von Windenergieanlagen Einfluss zunehmen.
Sobald ein Energieunternehmen ein Grundstück erworben hat und den Bau eines Windrads auf diesem Grundstück angemeldet hat, kann die Gemeinde nur noch die Rechtmäßigkeit der Anlage überprüfen. “Verbieten” kann die Gemeinde den Bau nicht. Denn bei Windkraftanlagen handelt es sich juristisch um “priviligierte Vorhaben”. Und solche sind fast immer zulässig. Zu den gesetzlich definierten priviligierten Vorhaben gehören zum Beispiel auch landwirtschaftliche Einrichtungen, nicht aber Solaranlagen. Ein Saustall ist nur schwer zu verhindern, eine Solaranlage auf einer Ackerfläche hingegen schon.
“Öffentliche Belange” können von Windkraftanlagen beeinträchtigt werden
Nur erhebliche “öffentliche Belange” können zur Ablehnung eines Antrags zur Errichtung einer Windkraftanlage von einer Gemeinde herangezogen werden. Solche Belange können sein:
a) eine Beeinträchtigung von Funk- und Radaranlagen
b) eine Beeinträchtigung des Artenschutzes
c) eine Verunstaltung des Landschaftsbildes
d) schädliche Umwelteinflüsse, insbesondere Lärm und Schattenwurf (wobei es hier keine verbindlichen Grenzwerte gibt)
e) eine Verletzung der Planungsvorgaben existierender Flächennutzungspläne
Dr. Franz Dirnberger, Direktor beim Bay. Gemeindetag, machte in Haimhausen deutlich, dass die ersten vier Punkte den Gemeinden so gut wie keinerlei Handhabe bei der Regulierung von Windparkansiedlungen einräumen. Funk- und Radaranlagen sind selten betroffen, verdrängte Arten siedeln sich zumeist woanders wieder an, Windräder gelten in der Regel als nicht unansehnlich und bei Einhaltung von Abstandswerte von 600 Metern zur Wohnbebauung kann man fast überall Windräder bauen – in einigen Lagen seien sogar geringere Abstandswerte bis herab zu 360 Metern juristisch vom Betreiber durchsetzbar. Den Schattenwurf regeln moderne Windräder mittels Automatiken: acht Stunden Beschattung pro Jahr sind zulässig. Weitere Grenzwerte regeln den Schattenwurf pro Tag. Sind diese Grenzwerte erreicht, schalten sich moderne Windräder automatisch ab – selbst wenn der Wind bläst!
Will die Gemeinde die unkontrollierte Ansiedlung von Windkraftanlagen verhindern, muss sie der Windenergie eine Konzentrationsfläche in einem Flächennutzungsplan ausweisen
Einzig ein lokaler oder regionaler Flächennutzungsplan, der “positiv” Flächen für die Ansiedlung von Windkraftanlagen ausweist, kann die Ansiedlung in anderen Gebieten weitgehend zuverlässig verhindern. Und diesen Weg gehen die meisten Gemeinden im Landkreis Dachau derzeit. Klartext: Nur wenn eine Gemeinde eine Fläche für Windkraftanlagen ausweist, kann die Ansiedlung in anderen Gebieten verhindert werden – unabhängig davon, ob es überhaupt einen Betreiber oder Erbauer für eine Windkraftanlage auf dem Gebiet der Gemeinde gibt.
Die von der Gemeinde ausgewiesene Fläche muss natürlich für Windenergie tauglich sein. Der bayerische Windatlas und eigene Messungen müssen belegen, dass die Fläche nicht windstiller ist, als andere Gemeindebereiche. Und die Ausweisung der Fläche muss auf der Basis nachvollziehbarer Kriterien geschehen. Zu den Auswahlkriterien können zum Beispiel zählen:
a) Wasserschutz und Überschwemmungsgebiete (etwa die Amperauen)
b) Landschaftsschutzgebiete
c) Biotop-Flächen und biologische Ausgleichsflächen
d) zu schützende Waldflächen
e) existierende Photovoltaikanlagen (wegen Schattenwurf)
f) Lärmschutz gegenüber Wohnbebauung
g) Schutz des Landschaftsbildes
h) regionale Entwicklungsplanung der Gemeinde
Bei dieser Bewertung haben die Gemeinden einige Freiräume. Zu beachten haben sie allerdings noch einige gesetzliche Vorgaben. So dürfen Windkraftanlagen nur mit Sicherheitsabstand zu Fernstraßen und Hochspannungsanlagen erstellt werden. In jedem Fall aber MUSS die Gemeinde auf der Grundlage einer solchen Güterabwägung eine Fläche für Windkraftanlagen ausweisen, wenn sie die unkoordinierte Ansiedlung von Windrädern verhindern will. Die Größe der Fläche ist nicht eindeutig vorgegeben. Ist die ausgewiesene Fläche zu klein, so kann es sein, dass ein Antragsteller für ein Windkraftrad den Flächennutzungsplan der Gemeinde gerichtlich überprüfen lässt und ein Gericht den Plan als nicht gesetzeskonform außer Kraft setzt. Dabei können sich Gemeinden aber mit anderen Gemeinden zusammenschließen. Und genau dies versuchen derzeit die meisten Gemeinden im Landkreis Dachau.
Die Gemeinde Karlsfeld hat sich dieser landkreisweiten Zusammenarbeit aber entzogen. Dort steht man auf dem Standpunkt, dass im Gemeindebereich keine Windkraftanlagen gebaut werden können. Es gäbe schlichterdings zu wenige Freiflächen. Sieht man sich die Situation in Karlsfeld an, dann kann man diese Position schon verstehen. Aber in Haimhausen sieht es nicht viel besser aus: einerseits ist die Gemeinde deutlich zersiedelter, als viele Gemeinden in Nordbayern. Der Ballungsraum München hat den Siedlungsdruck in Haimhausen in den letzten Jahren erheblich verstärkt. Andererseits gibt es mit den Amperauen große Flächen, die dem Naturschutz unterliegen. Weitere Flächen sind bereits durch die Photovoltaikanlage belegt.
Deshalb kam der von der Gemeindeverwaltung beauftragte Gutachter zu der eindeutigen Empfehlung, ein relativ kleines Gebiet – etwa 22 Hektar – westlich von Westerndorf als einzig für Windenergie taugliche Fläche auszuweisen. Dieses Gutachten wird derzeit von der Gemeinde geprüft. Hierzu müssen noch Windmessungen erfolgen, Fragen des Artenschutzes müssen ebenso geprüft werden, wie die Einspeisemöglichkeit. Und zuletzt muss noch der Flughafen München angefragt werden, ob es dort Bedenken gegen Windkraftanlagen in den Einflugschneisen im Gemeindebereich gibt.
Sollte ein Flächennutzungsplan eine solche Fläche künftig ausweisen, würde dies nicht bedeuten, dass dort auch eine Windkraftanlage entsteht. Aber es könnte vermutlich verhindert werden, dass andere Flächen im Gemeindebereich unkoordiniert mit Windkraftanlagen überzogen würden. Die Finalisierung eines gemeindlichen Flächennutzungsplans setzt allerdings noch erfolgreiche Verhandlungen mit den benachbarten Gemeinden voraus. Denn Haimhausen bietet sicherlich keine überproportional großen Flächen für Windenergie aus. Angesichts der bereits existierenden Photovoltaikanlagen und der örtlichen Gegebenheiten wird dies auch nicht möglich sein.
Der Bürger kann der Windkraft nicht den Wind aus den Segeln nehmen – aber der Gemeinde! Und das wäre schlecht – auch für den Bürger!
Der Weg, den die Gemeinde Haimhausen gewählt hat, die Ausweisung einer Vorbehaltsfläche für Windkraftanlagen in einem Flächennutzungsplan vorzusehen und so die einzige Möglichkeit zu nutzen überhaupt Einfluss auf die Ansiedlung von solchen Anlagen nehmen, ist richtig!
Aber die Bürger aus Westerndorf machen sich nun natürlich zu Recht Sorgen: Ist mit Lärmbeeinträchtigungen zu rechnen? Mit Schattenwurf? Wie sähe es aus, wenn eines Tages tatsächlich auf diesem Gebiet ein Windrad gebaut werden würde?
Das Gutachten des Aichacher Büros Brugger will gerade durch die Konzentration auf die Fläche bei Westerndorf einen größtmöglichen Abstand zur bebauten Fläche garantieren. Diese Fläche sieht einen Mindestabstand von 900 Metern zur Wohnbebauung vor, also erheblich mehr, als gesetzlich erforderlich. Auf anderen Gemeindeflächen müsste der Mindestabstand geringer ausfallen.
Die Bürgerinnen und Bürger, die in der Nähe des vom Gutachten ausgewählten Bereichs leben, befürchten zudem, dass ein Flächennutzungsplan erst mögliche Investoren anlocken würde. Falls E.ON oder ein anderer Investor aber wirklich eine Windkraftanlage im Gemeindegebiet Haimhausens errichten wollte, so sind für solche Konzerne andere Dinge entscheidungsrelevant, als der Wille der Gemeinde. Leider! Nur wenn die Gemeinde Fakten schafft, werden solche Konzerne keine Fakten gegen die Bürgerinteressen schaffen können. Mit der Ausweisung eines Flächennutzungsplans für die Ansiedlung von Windenergieanlagen geht die Gemeinde den einzigen richtigen Weg!
Persönlicher Nachtrag:
Flächennutzungspan ja – Haimhausen21 nein!
Aber die Gemeinde muss die Sorgen der Bürgerinnen und Bürger ernst nehmen. Ein Flächennutzungsplan macht Sinn, aber er kann nicht gegen die Betroffenen durchgesetzt werden. Eine frühzeitige öffentliche Diskussion ist erforderlich. Und vor allem: es genügt nicht, den Bürgern ein fertiges Gutachten vorzulegen, dass letztlich nur eine Alternative vorsieht – und sei das Gutachten noch so gut und in seiner Auswahl nachvollziehbar. Die Bürger wollen und sollen mitreden und nicht nur die Vorschläge der Experten “abnicken”. Ich würde es vorziehen, wenn ein Gutachten zwei oder drei Alternativen aufzeigen würde. Natürlich dürfen und sollen die Gutachter Position beziehen und klar darlegen, welche Alternative sie empfehlen. Ein Gutachten kann auch einen Favoriten und ein oder zwei “schlechtere” Alternativen zur Diskussion vorschlagen. Würde die Gemeinde dadurch Zeit verlieren? Ja! Aber zwei oder drei Monate Zeitverzug sollte einem die Bürgerbeteiligung wert sein.
Der Gemeinderat hat eine richtige Entscheidung getroffen. Nun sollten wir uns die Zeit nehmen, für Verständnis und Akzeptanz in der Bevölkerung zu sorgen. Die Veranstaltung am 29. Juni war nur ein erster Schritt.
Die Bürger will mitdiskutieren und nicht nur zustimmen. Spätestens seit Stuttgart21 sollten wir dies akzeptieren. Dann könnten wir vielleicht eines Tages auch darüber reden, wie wir Windräder nicht verhindern, sondern die umweltfreundliche Windenergie aktiv fördern.
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